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Die russische Herzogin

Titel: Die russische Herzogin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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Habicht ihrem Nest nähert, war sie durchs Palais gelaufen, nachts hatte ihr der Gedanke, Wera zu verlieren, den Schlaf geraubt. Natürlich wusste sie, dass sie ihr Patenkind nur auf Zeit bei sich hatte, dennoch knäuelte sich die Angst vor dem drohenden Verlust in ihrem Magen zusammen. Nun aber hörte sie Kosty sagen: »Ich kann sie nicht mit nach St. Petersburg nehmen, das musst du verstehen.« Er schaute sie an, als läge die Antwort auf der Hand. »Sag mir, was ich tun muss, um dich davon zu überzeugen, dass Wera hier bei dir am besten aufgehoben ist. Jedem anderen würde ich Geld anbieten dafür, dass er meine Tochter in seine Obhut nimmt, fürstlich bezahlen würde ich für diesen Dienst. Aber ich weißnatürlich, dass du Geld am wenigsten nötig hast …« In seiner Stimme schwang Bedauern und auch ein Hauch Neid mit.
    Gar nichts weißt du, dachte Olly bitter bei sich. Nun, da sie den alten Gebäudekomplex hinter dem Bahnhof auch noch aus ihrer Privatschatulle bezahlt hatte, um ihn in ein Waisenheim umbauen zu lassen, waren ihre Gelder wie Eis in der Sonne dahingeschmolzen. Den Plan von einer Mädchenschule im Stuttgarter Westen konnte sie angesichts ihrer Geldnöte jedenfalls erst einmal vergessen.
    »Als ob ich für Weras Pflege Geld nehmen würde«, sagte sie laut. Lieber würde sie anderswo betteln gehen. »Aber soll sie wirklich nur hierbleiben, damit sie eure Heiratspläne zwischen Olgata und dem griechischen König nicht stört? Kosty, eure Olgata ist gerade einmal dreizehn Jahre alt – bis sie vor den Traualtar treten wird, können noch Jahre vergehen! Wera ist doch auch eure Tochter. Sie hat dasselbe Recht auf Liebe. Und sie hat so schreckliches Heimweh, da dürft ihr sie doch nicht für Jahre verbannen!« Olly konnte nicht anders, als den Advocatus Diaboli zu spielen. Der Gedanke, dem Kind sagen zu müssen, dass der Vater ohne es abreiste, war fast so schmerzlich wie der Gedanke, beide verabschieden zu müssen.
    »Heimweh! Recht auf Liebe! Das sind ziemlich luxuriöse Gefühle, meine Liebe. Als zukünftige Regentin eines so kleinen Landes wie das Königreich Württemberg kannst du dir solche Gefühle leisten, zu dir schaut das ganze Volk wohlwollend auf. Ich habe bei jedem meiner Besuche mit eigenen Augen sehen können, wie sehr die Menschen hier dich lieben. Für dich ist es ein Leichtes, Liebe zu schenken und großzügig zu sein, wo du selbst so viel davon empfängst. Oh, ich will deine Leistungen keinesfalls schmälern, ganz im Gegenteil: Ich habe dich schon immer für dein wohltätiges Engagement bewundert. Du wusstest stets, was du wolltest und was im Leben richtig ist. Im Gegensatz zu dir sind wir anderen lediglich wie Schmetterlinge durch die Salons und über die Tanzfläche geflattert. Unser guter Engel Olly jedoch hat sich stets für die Schwachen und Armen eingesetzt.«
    »Wie du das sagst – als ob das etwas wäre, wofür ich mich schämenmuss. Meiner Ansicht nach würde es dir und Sanny auch gut zu Gesicht stehen, nicht ständig nur an euer Wohlbefinden zu denken«, entgegnete Olly heftig. »Was bist du nur für ein schrecklicher Egoist! Erst schiebst du Wera einfach ab, und nun belächelst du mich dafür, dass ich sie aufgenommen habe?« Ihre Stimme überschlug sich fast vor Aufregung.
    Kosty senkte seinen Kopf. »Entschuldigung, so habe ich das nicht gemeint. Ich … ich wäre gern wie du! So stark und hingebungsvoll. Kein Wunder, dass du Vaters Lieblingstochter warst. Und Sascha sein Lieblingssohn. Wir anderen liefen einfach so mit.« Mit schräg gelegtem Kopf schaute er sie an. »Weißt du, was ich am meisten an dir bewunderte?«
    Olly, die eine rhetorische Frage erkannte, wenn sie eine hörte, schwieg.
    »Dass du – unabhängig von Vaters Wünschen und Träumen – immer getan hast, was du wolltest. Ich hingegen tanze nach wie vor brav nach der Pfeife anderer.«
    Ollys Blick ruhte still auf ihrem Bruder. Kosty hätte auf seine hagere Art noch immer ein sehr attraktiver Mann sein können, wäre da nicht der bittere Zug um seinen Mund gewesen. Es kam selten vor, dass er solche Einblicke in sein Seelenleben gab. Warum gerade jetzt? Neidete er ihr etwa ihr Leben? Ach Kosty, wenn du wüsstest …
    »Du hast doch allen Grund, glücklich und stolz zu sein. Du hast wundervolle Kinder –«
    »Mehr fällt dir nicht zu meinen Verdiensten ein?«, spottete er. »Ich bin der Bruder des Zaren, von mir erwartet die Welt ein wenig mehr als die Tatsache, dass ich meine Gattin und ein,

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