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Die russische Herzogin

Titel: Die russische Herzogin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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Händchen? Meiner Ansicht nach verzieht sie die Göre unnötig. Wenn ich nur an gestern denke … Die schönen Bücher, wertvolle Erstausgaben, ledergebundene teure Exemplare – ein Haufen Asche. Dafür hätte sie eine Woche Stubenarrest verdient, stattdessen unternimmt Sophie Ausflüge und Spaziergänge mit ihr. Ich sage dir, was Wera angeht, ist bald alles zu spät!«
    »Abersie hat sich doch entschuldigt und –«
    »Für solch barbarisches Tun gibt es keine Entschuldigung!«, schnitt Karl Olly barsch das Wort ab. »Ich lasse mir nicht auch noch von einem Kind auf dem Kopf herumtanzen. Wera macht uns allerorts zum Gespött, falls du das nicht gemerkt hast. Wenn’s nach mir ginge, würde ich sie lieber heute als morgen zurück nach Petersburg schicken. Soll sich dein lieber Bruder doch selbst mit seinem Kind herumärgern.« Er schüttelte den Kopf.
    »Dann verbanne Wily auch gleich nach Russland, er hat schließlich die Dummheit mitgemacht. Zumindest er mit seinen sechzehn Jahren hätte es besser wissen müssen!«
    Bevor der Streit der Eheleute ausartete, räusperte sich Evelyn und sagte: »Vielleicht sieht die Königin diesen Spaziergang nicht als Belohnung, sondern als eine Art Erziehungsmethode? Wissen Sie, was mir seit gestern nicht mehr aus dem Kopf geht? Immer wenn jemand mit Wera spazieren geht, ist sie danach zufrieden und ausgeglichen. Womöglich ist Bewegung doch besser für das Kind als das ewige Stillsitzen?«
    »Aber Stillsitzen ist für junge Damen das Normalste der Welt«, sagte Olly irritiert. »Ich weiß nicht, worauf du hinauswillst.«
    »Ich finde den Gedanken auch sehr befremdlich«, bestätigte Karl. »Niemand hat freiwillig den Wunsch, sich zu bewegen. Wir sind doch keine Bauern.«
    »Was ein Kind will , ist sowieso von nachrangiger Natur«, warf Madame Trupow ein und schenkte Karl dabei einen beifälligen Blick. »Wir alle wünschen uns von Wera damenhaftes Verhalten. Sticken soll das Kind lernen. Und musizieren und erbauliche Literatur lesen.«
    Stirnrunzelnd schaute Olly ihre Tischnachbarn an.
    »Ich gebe Ihnen gern recht, Madame Trupow. Aber vielleicht muss Wera zwischen all diesen Pflichten auch einmal toben dürfen?«
    Die Trupow schnaubte. »Wie stellen Sie sich das vor? Soll ich zukünftig Wera allmorgendlich vor dem Unterricht zuerst den Berg hinab- und wieder hinaufscheuchen? Soll ich Gewaltmärsche mitdem Kind machen, bis es müde genug ist, um freiwillig still zu sitzen?«
    Karl schaute die drei Frauen voller Abscheu an. »Was für eine unsägliche Diskussion! Mir ist es völlig gleich, ob ihr Wera wie einen Soldaten marschieren lasst, ob ihr sie in den Kohlenkeller sperrt oder mit Schlägen züchtigt. Noch ein Vorfall wie der gestrige, und sie kann gehen.«
    Wie auf ein geheimes Stichwort hin tauschten Olly und Evelyn einen Blick. Auf ihren Mienen zeichnete sich ein feines Lächeln ab.
    »Wie ein Soldat marschieren …«, sagte Evelyn.
    »Gewaltmärsche.« Olly ließ sich das Wort wie ein Stück Konfekt auf der Zunge zergehen. »Davon wird man sicher ruhig und müde …«
    »Das könnte eine Möglichkeit sein«, flüsterte Evelyn.
    Olly nickte.
    Der junge Unteroffizier stand stirnrunzelnd vor Ollys Schreibtisch.
    »Ich soll mit Großfürstin Wera wandern gehen. In den Weinbergen rund um Stuttgart.«
    Olly nickte eilfertig. »Ich möchte herausfinden, ob an der Theorie, dass meinem Patenkind Bewegung fehlt, etwas dran ist.«
    Falls der blonde, fast zwei Meter große Mann den Vorschlag der Kronprinzessin für abwegig hielt, so zeigte sich nichts davon in seiner Miene. Mit einer Grazilität, die man bei einem Hünen wie ihm nicht erwartet hätte, ließ er sich auf dem Stuhl, den Olly ihm anbot, nieder.
    »Und Eure Hoheit spricht tatsächlich von einer Wanderung, nicht nur von einem Spaziergang?«
    Olly wechselte einen unsicheren Blick mit Cäsar Graf von Beroldingen, ihrem Stallmeister. Er hatte ihr den jungen Unteroffizier empfohlen. Der zweiundzwanzigjährige Lutz von Basten, dessen Ulanenregiment in Weil bei Stuttgart ansässig war, war selbst mit  sieben Geschwistern aufgewachsen. Er und drei seiner Brüder waren leidenschaftliche Wanderburschen, die zwischen den WeinbergenStuttgarts und der Schwäbischen Alb wohl jeden Weg in- und auswendig kannten. Sogar den Bodensee hatten Lutz und sein Bruder Markus schon umrundet. Inzwischen trugen sie sich mit dem Gedanken, einen Wanderverein für Gleichgesinnte zu gründen.
    Ein Wanderverein und sieben Geschwister – das sei ja

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