Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die russische Herzogin

Titel: Die russische Herzogin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
Vom Netzwerk:
Mädchen an den Armen.Ohne sich um Margittas Strampeln und Weras Protestgeschrei zu kümmern, zog sie sie hinter sich her die Treppe hinunter.
    *
    Schweigend hörte sich Olly Helenes Vortrag an, ebenso schweigend saßen die beiden Mädchen da. Die Tochter der Wäscherin warf Wera immer wieder einen wütenden Blick zu, den Wera mit einem hilflosen Schulterzucken erwiderte. Die Vertrautheit, die in diesen kleinen Gesten lag, versetzte Olly einen Stich. Die beiden Mädchen kannten sich allem Anschein nach schon länger. Wahrscheinlich erzählte Wera Margitta all das, was ihr auf dem Herzen lag und was sie ihrer Tante gegenüber nicht preisgeben wollte.
    »Es liegt ja wohl auf der Hand, dass ich ein solches Fraternisieren mit dem Personal keinesfalls dulde. Sogar Essen hat Wera gestohlen, um es ihrer kleinen Freundin zu bringen!« Sie spie die Worte regelrecht aus. »Die Kronprinzessin wird mir sicher darin recht geben, dass für Weras Verhalten Strafmaßnahmen fällig werden.« Wie triumphierend die russische Gouvernante dreinschaute! Freute sie sich wirklich so sehr, ihren Zögling bei einem Fehlverhalten ertappt zu haben? Diese Einsicht machte Olly wütend und traurig zugleich.
    »Kronprinzessin, wollten Sie etwas sagen?«, drängte Helene Trupow scharf.
    Olly warf erst ihrer Nichte, dann dem fremden Mädchen einen langen Blick zu. Die Tochter der Wäscherin, die schätzungsweise im selben Alter wie Wera war, machte einen ungepflegten, ärmlichen Eindruck. Sie hatte magere Beine und knochige Arme, ihr Blick aus dunklen Augen war zurückhaltend, fast misstrauisch. Angst konnte Olly in der Miene des Mädchens jedoch nicht erkennen, vielmehr strahlte es etwas aus, für das Olly keinen Namen wusste, etwas für ein Kind in ihrem Alter ziemlich Ungewöhnliches. War es die Gabe, sich mit dem Leben zu arrangieren? War es der Mut, dem Leben die Stirn zu bieten, wann immer dies nötig war? Falls ja, wäre die Kleine nicht die schlechteste Gesellschaft für Wera …
    Ollystraffte die Schultern, dann schaute sie die Trupow mit hochgezogenen Brauen an.
    »Sie wollen meine Meinung hören? Aber gern. Dass sie meinem Patenkind nachschleichen, gefällt mir nicht. Kein Wunder, dass Wera glaubt, sich heimlich mit ihren Freunden treffen zu müssen. Aber damit ist nun Schluss.« Sie bedachte die schmallippige Gouvernante mit einem Blick, der keine Widerrede erlaubte, dann wandte sie sich an Wera: »Warum trefft ihr euch nicht einfach in deinem Zimmer? Dann brauchst du die vielen Bücher nicht ständig durchs ganze Haus schleppen.« Weras verdutzten Blick ignorierend, richtete sie ihre nächsten Worte aufmunternd lächelnd an das fremde Mädchen: »Ich freue mich, dass du Weras Freundin geworden bist. Deine Mutter ist eine unserer besten Wäscherinnen, in all den Jahren, die sie schon bei uns ist, war immer Verlass auf sie.«
    Das Mädchen schaute sie ungläubig an.
    »Heißt das, du erlaubst mir, Margitta ganz offiziell zu treffen? Sie kann wirklich bei uns ein und aus gehen, wie sie will?«, kam es nun ebenfalls fassungslos von Wera.
    Einen Moment lang war Olly über Weras Wortwahl irritiert. Hier ein und aus gehen, wie sie wollte  – war das nicht doch eine Spur zu großzügig? Doch sie überwand ihre Zweifel und sagte: »Pflegt eure Freundschaft, wie es euch beliebt. Ich freue mich sehr, dass du keine Standesdünkel hegst wie gewisse andere Personen.« Sie warf der Trupow einen schrägen Seitenblick zu. »Wo ein Mensch herstammt, ist völlig gleichgültig, wenn man sich schätzt und mag. Manchmal muss man einfach das Herz sprechen lassen …«
    »Aber, liebe Kronprinzessin, was reden Sie denn da? Das … das geht doch so nicht!«, prustete die Gouvernante und sah aus, als würde sie im nächsten Moment vor Unwillen platzen.
    Olly lächelte süß. »Was in diesem Haus geht und was nicht, bestimme immer noch ich.« Sie strich Wera über den strubbeligen Schopf und sagte: »Warum lauft ihr beiden nicht in die Küche und schaut nach, ob noch etwas von der köstlichen Pastete übrig ist, die ich vorhin meinen Gästen servieren ließ? So viel Aufregung macht doch immer sehr hungrig, nicht wahr?«

12. KAPITEL
    17 . Juni 1864
    K osty und Sanny sind wirklich Rabeneltern! Wie können sie bloß so hartherzig gegenüber Wera sein?« Nur mit Mühe vermochte Olly ihre Tränen zurückzuhalten. Sie sah aus, als hätte sie jedes Gepäckstück, das für ihre Reise auf die Kutschen gepackt wurde, am liebsten eigenhändig wieder abgeladen.
    Es war

Weitere Kostenlose Bücher