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Die russische Herzogin

Titel: Die russische Herzogin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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fügte Margitta hinzu.
    Obwohl es in der Villa Berg viele Schlupfwinkel als Treffpunkt für die Mädchen gegeben hätte – die Pavillons im Garten, die Vorratslager und Gerätehäuser hinter dem Hauptgebäude –, hatten sie sich instinktiv wieder eine kleine Kammer unterm Dach für ihre heimlichen Zusammenkünfte ausgesucht. Eine karierte Decke, ein paar abgebrannte Kerzen, eine Flasche mit Beerensaft, der so süß war, dass man nur einen kleinen Schluck davon trinken konnte, eine Dose, in der man Kekse mäusesicher aufbewahrte – wann immer es ihr gelang, schleppte Wera etwas nach oben, um die Kammer gemütlicher zu gestalten. Auch Bücher für Margitta brachte sie regelmäßig mit. Und Essen. Das vor allem.
    Fröhlich zog sie nun ein Porzellanschälchen aus ihrer Rocktasche.Obwohl sie vorsichtig zu Werke ging, blieb ein Teil des Inhalts – eine sahnige Zitronencreme – an ihrem Rock hängen.
    »Essen, Gott sei Dank! Ich habe solchen Hunger …« Noch während sie sprach, tauchte Margitta ihren rechten Zeigefinger in die Creme. »Hast du noch mehr dabei?«
    Wera holte zwei Scheiben Brot und etwas Käse aus der anderen Rocktasche. Margitta hätte ruhig sagen können, dass die Creme köstlich schmeckte, immerhin war es ein ziemlicher Aufwand gewesen, sie unbemerkt aus dem Speisesaal zu schmuggeln.
    »Das sind übrigens Gedichte von einem Herrn Mörike. Er schreibt sehr schön. Über die Natur und Gott und so«, sagte Wera jetzt als Antwort auf Margittas Frage. »Aber weißt du was? Beim Lesen kam mir der Gedanke, dass ich das auch hinbekommen könnte. Also hab ich’s einfach versucht!« Schwungvoll zog sie einen Bogen Papier aus dem Buch.
    Margitta leckte weiter Zitronencreme von ihrem Finger.
    »Willst du mein Gedicht nun hören oder nicht?« Wera versuchte, wegen Margittas Unaufmerksamkeit ärgerlich zu klingen, aber es gelang ihr nicht – sie brannte so sehr darauf, ihr Gedicht zum Besten zu geben. Also holte sie tief Luft und begann: »Es heißt Frühlingslied  …
    Klingt und tönet, Frühlingslieder,
    Hell und fröhlich durch den Wald,
    Wo der bunten Vögelscharen
    Stimme frisch und klar erschallt.
    Frisch und luftig, wie das Frühjahr,
    Mög’ es dringen durch das Grün
    Und von Ast zu Ast sich schwingend
    Hoch empor zum Himmel zieh’n.
    Na, was sagst du dazu?« Halb euphorisch, halb unsicher schaute Wera von dem Blatt Papier auf und in Margittas erstauntes Gesicht.
    »Dunimmst mich auf den Arm, oder? Diese Zeilen stammen doch nie und nimmer von dir, bestimmt hast du sie aus einem der vielen Bücher deines Onkels abgeschrieben.«
    Ein weiches, warmes Gefühl, wie sie es noch nie erlebt hatte, erfüllte die Gegend um Weras Herz. War es Stolz? War es Freude über das ausgesprochene Lob? Feierlich legte sie die rechte Hand auf ihre Brust und sagte:
    »Ich schwöre dir, dass ich jedes Wort selbst erdichtet habe!«
    »Warum schreibst du nicht mal ein Gedicht über diesen elenden Regen? Das hört sich bei dir dann gewiss auch poetisch an«, sagte Margitta, und beide Mädchen kicherten.
    »Ehrlich gesagt habe ich tausend Ideen für weitere Gedichte. Ich überlege, ob ich dieses hier meiner Tante schenken soll«, sagte Wera. »Als kleines Dankeschön für alles, was sie für mich tut. Was hältst du davon?«
    Margitta rümpfte die Nase. »Ich würde so was für mich behalten. Die Erwachsenen machen sowieso immer alles nieder, was Spaß macht. Und am Ende verbieten sie dir das Schreiben auch noch, wie alles andere.«
    Wera schaute ihre Freundin traurig an. Margittas Misstrauen den Erwachsenen gegenüber wurde immer stärker, ebenso wie ihre Verbitterung, was ihre Eltern betraf. Kein Wunder, da die Mutter sich so gut wie gar nicht um ihre Kinder kümmerte und der Vater ein alter Trinker war, der seinen Nachwuchs schlug. Aber es gab immerhin auch ein paar freundliche Erwachsene, so wie Olly und Evelyn. Doch das wollte Margitta nicht glauben.
    »Tante Olly ist nicht so wie die anderen«, sagte Wera nun heftig. »Für mich –« Sie brach ab, als abrupt die Tür aufgerissen wurde.
    »Hier steckst du also!« Mit in die Hüften gestemmten Händen schaute die Trupow auf die sich bietende Szenerie. »Da suche ich die ganze Villa ab, und du hockst in diesem Loch, das ist doch nicht zu fassen! Und wen haben wir denn hier?« Mit ihrer Fußspitze tippte sie Margitta an. »Mit Gesindel treibst du dich herum? Du, eine russische Großfürstin? Warte, wenn das deine Tante erfährt!« Schon packte die Gouvernante beide

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