Die russische Spende (Stationsarzt Dr. Felix Hoffmann) (German Edition)
mit eher fadenscheinigen Begründungen zur Blutbank, aber Margret war wirklich zu Hause geblieben.
Zum Mittagessen kam ich ziemlich spät, die Cafeteria war bis auf ein paar Leute aus der Zentralsterilisation leer und die Fertiggerichte unter den Warmhaltelampen weitgehend zu Trockenkost geschrumpft.
Ich war nicht der einzige, der heute spät zum Essen kam. Ich hatte gerade das Schnitzel ziemlich sauber von der eingetrockneten Zigeunersoße abpräpariert, als Professor Dohmke auftauchte. Da ich der einzige Doktor weit und breit war, hätte es seltsam ausgesehen, hätte er sich nicht zu mir gesetzt. Er hatte sich für einen ehemals frischen Salat entschieden.
»Herr Hoffmann, guten Appetit. Da haben Sie ja überhaupt keine Vitamine dran! Sie essen spät. Viel zu tun?«
»Ausreichend zu tun, Herr Dohmke. Es würde mir Sorgen machen, hätten wir nicht genug zu tun.«
»Da haben Sie recht, Doktor. Ich denke, wir werden alle wieder besser schlafen, wenn der Senat endlich entschieden hat, welche Kliniken Betten abbauen müssen und welche ganz geschlossen werden.«
Ausgelastet durch meine detektivischen Bemühungen, hatte ich kaum die täglich neuen Gerüchte verfolgt. Die Zeitungen waren voll davon. Mal hieß es, alle konfessionellen Kliniken sollten geschlossen werden, dann waren die konfessionellen wieder gänzlich von der Streichliste verschwunden. Irgendwo lief schon ein Hungerstreik von Schwestern und Pflegern. Eigenartig, daß wir bisher auf keiner Streichliste aufgetaucht waren.
Dohmke erzählte noch ein paar belanglose Sachen, aber irgendwann war ihm sein Vorrat an Kliniksmalltalk ausgegangen, und ich mußte auch etwas zur Unterhaltung beisteuern. Unverfängliches wollte mir partout nicht einfallen.
»Hat man eigentlich die Ursache für den Brand bei CareClean gefunden?«
Dohmke war damit beschäftigt, ein paar vermatschte Tomaten aus seinem Salat auszusortieren.
»Nichts Konkretes, soweit ich weiß. Die Feuerwehr vermutet irgendwas Elektrisches, einen Defekt an den Leitungen oder so. Es reicht wohl eine kurze Überlast, daß die Computer in Brand geraten.«
Ich bemerkte, daß es schon ein unglückliches Zusammentreffen gewesen sei, am selben Tag hier in seinem Büro ein Virus und alle Daten im Computer gelöscht und gleichzeitig der Brand in der Allee der Kosmonauten und auch da die Computer futsch.
»Ja, Hoffmann, kann man wohl sagen. When it rains, it pours«, wie der verstorbene Dr. Bredow demonstrierte auch Dohmke gerne seine Weltläufigkeit. »Für Frau Krüger nicht lustig. Aber zum Glück hatte Dr. Bredow auf seinem Computer nur ein paar Unterkonten geführt.«
Und Dohmke dürfte ziemlich froh sein, daß diese Unterkonten nicht mehr existierten. Gern hätte ich ihm verraten, daß ich ihm mit einer kompletten Kopie dieser sogenannten Unterkonten aushelfen könnte. Aber er war mit seinen Gedanken auch schon weiter, getreu der Devise »think positive«,
»Wissen Sie, man muß immer auch die positive Seite sehen. So ein Datenverlust ist auch die Chance, einige Sachen anders anzupacken. Dr. Bredow hatte natürlich recht, wir müssen sparen, die Krankenkassen werden bald über jede Stunde Liegezeit Rechenschaft fordern. Die Frage ist nur, wo ich spare, an welcher Stelle. Vielleicht war es keine so gute Idee, ständig an den Gehältern der Mitarbeiter zu drehen, die Zulagen und die Überstundenbezahlung zu streichen. Das muß doch auf die Dauer demotivieren, finden Sie nicht?«
Natürlich fand ich das auch. Aber Dohmke ließ mir keine Zeit, seinen Gedanken zuzustimmen.
»Warum soll denn ein Doktor, dem ich ständig sein Gehalt kürze, sich zum Beispiel noch einen Kopf um das Arzneimittelbudget auf seiner Station machen? Und, das sage ich Ihnen, Doktor, da liegen noch riesige Einsparpotentiale, mehr als in den Gehältern.«
Jetzt sortierte er die gekochten Eier aus dem Salat und schob sie zu den zermatschten Tomaten auf den Tellerrand. Wahrscheinlich hatte er sein Cholesterinbudget für den Tag schon überschritten.
»Natürlich nicht auf Kosten der Patientenversorgung, aber Sie wissen doch, wie Ihre Kollegen denken. Kaum ist ein bißchen Fieber da, gibt's ein Antibiotikum, und natürlich muß es das neueste sein – Kostenfaktor zehn oder sogar hundert. Wahrscheinlich hätte ein Halswickel genügt. Ich denke, es geht um Motivation. Diese Einsparungen könnte man an euch Doktors weitergeben. Bredow war zu sehr Verwaltungsmensch. Er hat nie kapiert, daß man gute Leute auch gut bezahlen muß und
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