Die russische Spende (Stationsarzt Dr. Felix Hoffmann) (German Edition)
mindestens seitdem haben wir ein ausgesprochen gutes Verhältnis. Zwei weitere Damen aus der Verwaltung standen mit einem Glas Sekt in der Gegend herum, und das Sekretariat glich einem Blumenladen vor Muttertag.
»Was wird denn hier gefeiert?«
»Nehmen Sie sich auch ein Glas, Doktor! Der Chef hat doch heute Geburtstag. Er nullt! Der große Empfang ist erst heute abend, aber wir haben schon mal angefangen zu feiern.«
Dr. Bredow wurde also fünfzig. Was er wohl in den nächsten zehn Jahren vorhatte? Seit drei Jahren war er jetzt Verwaltungsdirektor bei uns. Unter seiner Regie hatte das »Outsourcing« begonnen, und ebenfalls nach seinen Vorstellungen waren wir von einer Einrichtung der öffentlichen Hand in eine GmbH mit privatem Träger umgewandelt worden. Damit waren wir nicht mehr im öffentlichen Dienst, und er mußte sich bei Neueinstellungen nicht um die entsprechenden Tarifverträge kümmern. Was das heißt, hatte er uns spätestens letzten Dienstag klargemacht. Es wurde allgemein angenommen, daß Bredow seine gegenwärtige Position nur als Durchgangsstation betrachtet. Er fühlt sich als Manager im Gesundheitssystem und führt unser Krankenhaus als Dienstleistungsunternehmen. Natürlich muß dieses Unternehmen ein gutes Produkt anbieten, in unserem Fall die Wiederherstellung von Gesundheit, eigentliches Unternehmensziel aber ist der Profit.
Wir waren wahrscheinlich nur eine Sprosse auf seiner privaten Karriereleiter, auf der er beweisen würde, daß man aus einem jahrelang hoch subventionierten akademischen Lehrkrankenhaus ein profitables Unternehmen mit schwarzen Zahlen machen kann. Die nächste Sprosse wäre Geschäftsführer einer großen Krankenkasse, oder er würde die Lager wechseln und Chef bei der kassenärztlichen Vereinigung werden, auch kein schlecht bezahlter Posten. Heinz Valenta war der Meinung, Bredows eigentliches Ziel wäre der Staatssekretärsposten im Gesundheitsministerium.
Heute jedenfalls wurde er fünfzig, kein guter Tag, um ihm mit einem toten Russen aus der Reinigungskolonne zu kommen. Den Sekt lehnte ich höflich ab, ich hatte noch einiges auf der Station zu tun.
»Schade, Doktor, das ist ein wirklich gutes Gesöff. Es ist schon so viel für den Chef abgegeben worden, wir könnten in Sekt baden. Was kann ich für Sie tun?«
»Ich hätte gern kurz etwas mit Dr. Bredow besprochen. Ist aber nicht so dringend, daß es ausgerechnet an seinem Geburtstag sein muß.«
»Das ginge auch beim besten Willen nicht, Dr. Hoffmann. Hier ist heute der reinste Taubenschlag. Ich könnte Sie morgen gegen nachmittag einschieben. Worum geht es denn? Sind Sie wieder Assistentensprecher?«
»Nein, das bleibt Valenta. Es geht um einen Patienten von mir.«
»Ich hoffe, Sie brauchen keinen medizinischen Rat vom Chef.«
Das war eine kleine Aufmerksamkeit für Dr. Bredow, der sich als studierter Betriebswirt auf unseren Konferenzen mit Begeisterung in medizinische Fragen einzumischen pflegte.
»Nein, so verzweifelt ist der Fall noch nicht. Es ist mehr ein juristisches Problem.«
»Gut, ich merke sie für morgen fünfzehn Uhr vor. Aber rufen Sie mich gegen Mittag noch mal an, ob es auch klappt.«
Ich dankte Frau Krüger und wünschte allen ein schönes Fest mit Dr. Bredow. Erst beim Hinausgehen fiel mir ein, daß sie eventuell gar nicht zu seinem großen Empfang geladen waren. Ich jedenfalls war es nicht.
Am nächsten Tag bekamen wir Frau Schön von den Chirurgen zurück, und meine Stationsschwester Elke machte sich zu Recht Sorgen. Wir hatten sie den Chirurgen zwar gelb und mit einem eingeklemmten Gallenstein, aber in operationsfähigem Zustand übergeben. Jetzt war Frau Schön tatsächlich nicht mehr gelb, dafür aber kaum ansprechbar und ausgetrocknet wie eine Backpflaume. Die Chirurgen hatten ihr brav zwei Liter Flüssigkeit pro Tag und die entsprechenden Kalorien in Form von Zucker infundiert, so machen sie das immer, aber nicht bemerkt, daß dabei der Blutzucker kontinuierlich angestiegen war und Frau Schön dementsprechend mindestens drei Liter am Tag ausgeschieden hatte. Dann konnte sie nichts mehr ausscheiden und rutschte langsam ins Nierenversagen.
Die natürliche Reaktion von Chirurgen auf pathologische Laborwerte ist das Ausfüllen eines Konsilscheins. Das heißt, ein Internist soll vorbeikommen und das Problem lösen. Tatsächlich hatte sich gestern abend jemand dieses Konsilscheins erbarmt und nach Frau Schön gesehen. Und ehe er sich lange Gedanken gemacht hat oder einen
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