Die russische Spende (Stationsarzt Dr. Felix Hoffmann) (German Edition)
von der Flasche Chablis bei Lafayette im letzten Sommer und der Schraube im Baumarkt letzten Herbst absehe. Mit dem Chablis hatte ich über zehn Minuten auf den Verkäufer gewartet, und die Entnahme einer einzelnen 5x60-Schraube aus der Fünfzig-Stück Packung im Baumarkt zähle ich nicht als Diebstahl. Diebstahl ist, 5x60-Schrauben, von denen jeder normale Mensch maximal zwei Stück braucht, nur in Großpackungen zu verkaufen.
Es war also der Morgen danach, und kein mobiles Einsatzkommando hatte meine Wohnung gestürmt. Ich fuhr mit dem Fahrrad zum Bäcker und besorgte wie üblich Brötchen für das Samstagsfrühstück, diesmal bei Celine. Samstags macht Aldi schon um acht auf, also besorgte ich gleich noch den Wochenvorrat für meinen Single-Haushalt, einen Karton »Villa Alberti«, die Flasche zu 2 Mark 95 und ausgesprochen süffig. Und da Celine und mir als Folge unseres Verbrechens ein wahrscheinlich arbeitsintensives Wochenende bevorstand, sofern wir nicht verhaftet wurden, nahm ich zur Sicherheit zwei Kartons mit, zwölf Flaschen. Herbert, früher Mathematiklehrer und jetzt einziger Alki in der näheren Umgebung, nickte mir freundlich zu.
Als ich, beladen mit Brötchen und Weinkartons, Celines Wohnungstür aufschloß, wurde mir erneut bewußt, in wie vielem wir uns unterscheiden. Ich wäre sicher die ganze Nacht am Computer gesessen, um das Paßwort für Bredows Dateien herauszubekommen. Celine hingegen pflegte sich noch unter der Dusche, und ihr Rucksack mit der Festplatte lag unberührt im Flur. Immerhin hatte sie schon die Kaffeemaschine angestellt. Ich goß mir einen Kaffee ein und begann nachzudenken, während Celine halbnackt in der Gegend herumlief und ihre Klamotten suchte.
Was hatte Mischas Akte in Dr. Bredows Schreibtischschublade zu bedeuten? Klar war mir im Augenblick nur, daß sie jetzt nicht mehr in seinem Schreibtisch war. Und sicher war außerdem, daß sie dort nicht zufällig gelegen hatte oder gar ohne Bredows Wissen. Hatte Bredow dem Patientenarchiv Dampf gemacht, und Frau Tönnig und ihre ABM-Kräfte hatten doch noch die Akte gefunden? Oder lag sie da schon länger, spätestens seit Mischas Einlieferung am 12. Juni? Lag sie schon in seiner Schublade, als ich Bredow wegen Mischas Tod in seinem Büro gesprochen hatte?
Wenn alles mit rechten Dingen zuging und ein Klinikkomplott nur Celines Lust an Verschwörungstheorien zuzuschreiben war, dann wäre zu erwarten, daß Bredow mich in den nächsten Tagen anrufen und vom Auftauchen der Akte berichten würde. Doch er würde sie ja jetzt nicht mehr finden, also würde er mich nicht anrufen. Die Akte mußte schleunigst wieder in seine Schublade! Im Moment aber lag sie sicher unter den Stapeln von Akten der auf der Intensivstation verstorbenen Patienten vergraben. Es war nicht damit zu rechnen, daß einer meiner Kollegen plötzlich auf die Idee kommen würde, diese Stapel abzuarbeiten.
Nach dem Frühstück machten wir uns an die Arbeit. Für das zu findende Paßwort war ich gerüstet. Bredows Geburtsdatum wußte ich ja seit neulich. Unauffällig, wie ich hoffte, hatte ich von Frau Krüger auch die Vornamen und Geburtstage seiner Frau und seiner beiden Söhne herausbekommen.
»Wir können es«, sagte ich zu Celine, »auch mit ›Margret‹ versuchen. Das ist seine Geliebte, sie ist am 14. August 1968 geboren.«
Celine warf mir einen kurzen Blick zu und versuchte es mit den von mir gelieferten Namen und Daten. Aber weder seine Familie noch seine Geliebte Margret öffneten uns den Zugang zu den Dateien.
»Laß mich mal versuchen.«
Celine ließ mich. Ich versuchte es mit den Namen und Geburtsdaten rückwärts, kein Glück. Danach probierte ich es mit »Big Boss«, »Mastermind«, »Imperator« und verschiedenen an deren Begriffen, die mir zu dem Bild, das Bredow meiner Meinung nach von sich hat, zu passen schienen.
»Versetze dich in den Täter hinein, denke wie er.
Eine weitere Lehre aus meinem Fersehkrimi-Fernstudium. Aber Bredow hatte wohl ein anderes Bild von sich, als ich dachte.
»Nun laß mal Tante Celine ran!«
»Ich wollte schon immer eine echte Kryptologin bei der Arbeit sehen.«
»Na, so richtige Kryptologie ist das nicht. Das hieße, daß der ganze Text verschlüsselt ist. Dann hätten wir wirklich Probleme. Erst einmal brauchen wir ein Paßwort mit acht Zahlen oder Buchstaben oder, was etwas gemeiner wäre, einer Kombination aus Zahlen und Buchstaben.«
»Woher weißt du, daß es acht sein müssen?«
»Hier«, Celine hackte
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