Die russische Spende (Stationsarzt Dr. Felix Hoffmann) (German Edition)
Festplatte.
Während Celine mit dem Kopieren der Dateien beschäftigt war, fühlte ich mich ziemlich überflüssig und schaute mich auf Bredow Schreibtisch um, fand aber nichts sonderlich Interessantes. Celines Kopierprogramm war weiter an der Arbeit, ich widmete mich den Schreibtischschubladen. Sie waren unverschlossen – und meine Mühe wurde belohnt. warum, fragte ich mich, sichert ein Mensch seine Computerdaten mehrfach, schließt aber nicht seinen Schreibtisch ab?
Celines Festplatte meldete, daß der Kopiervorgang erfolgreich beendet sei.
»Dann sind wir ja fertig hier«, meinte ich.
»Noch nicht ganz«, entgegnete Celine. »wir sollten noch unsere Spuren verwischen.«
»Richtig«, ich sah eine zweite Chance, doch einen gewissen Durchblick in EDV-Dingen anzudeuten, »wir sollten nach dem Wiedereinbau der Pufferbatterie nicht vergessen, das aktuelle Datum und die Uhrzeit neu einzustellen.«
»Würde nicht viel helfen«, antwortete Celine. »Bredow würde trotzdem merken, daß beim Booten kein Paßwort abgefragt wird.«
Celine setzte nicht die herausgenommene Batterie ein, sondern eine neue, beziehungsweise eine alte, eine leere Batterie nämlich. Sie erklärte es mir später, aber wirklich begriffen habe ich es auch dann nicht. Nur so viel wurde mir klar, daß Bredow auftretende Seltsamkeiten seines Computers auf eine leere Pufferbatterie zurückführen würde.
»Also, wenn wir jetzt nicht die Festplatte vergessen oder seine Blumentöpfe umschmeißen, sind wir ziemlich sicher.«
Wir packten ein und überprüften, daß wir nichts hatten liegen lassen. Celine ist nicht der Schmucktyp, so daß uns auch kein verlorener Ohrring zwischen Rücken- und Sitzpolster auf Bredows Sessel verraten würde. Ich löschte das Licht, zog die Vorhänge wieder auf, und es gelang uns, im Dunklen zur Tür zu kommen, ohne seine Yukkapalme umzurennen.
Beim Verlassen von Bredows Büro war ich in ein vorsichtiges Schleichen verfallen, und Celine machte mich darauf aufmerksam, daß ein Stationsarzt des Hauses normal durch die Gänge geht. Mir schien dennoch ein Alibi eventuell nützlich, außerdem hatte ich jetzt eine Kleinigkeit bei mir, die ich nicht in die Klinik mitgebracht hatte und auch nicht zu mir nach Hause nehmen wollte. Also erkundigte ich mich auf der Intensivstation nach zwei Patienten, die ich am Vormittag dort abgeliefert hatte. Entgegen anders lautender Gerüchte ist es selbst heutzutage nicht ganz ungewöhnlich, daß der Stationsarzt gelegentlich bei seinen Patienten auf der Intensivstation vorbeischaut.
Meinen beiden Patienten ging es ganz gut, aber es gibt immer etwas zu verbessern, und so änderte ich ein paar Details an ihrem Infusionsplan. Damit war meine Handschrift mit Datum und Uhrzeit dokumentiert für den unwahrscheinlichen Fall, daß jemand meinen Nachtbesuch in der Klinik überprüfen sollte.
Celine war inzwischen auf der Toilette, ihre normale Streßreaktion. Erstaunt hatte mich nur, daß sie davon nicht schon in Bredows Büro erwischt worden war. Als sie von der Toilette zurückkam, hatte ich mein Mitbringsel aus Bredows Schreibtisch in einem der Schränke auf der Intensivstation verstaut.
An der Pforte trank Meyer inzwischen Kaffee mit Schwester Gudrun von der chirurgischen Ersten Hilfe und drückte ebenso kommentarlos den Türöffner wie vor einer guten halben Stunde. Beide würden sich die gleichen Vorstellungen davon machen, was Dr. Hoffmann von der Kardiologie mit der ihnen nicht bekannten jungen Frau am späten Abend in der Klinik getrieben hatte.
Ich fuhr Celine mit ihrer Festplatte nach Hause und fiel wenig später zufrieden in mein Bett. Gewiß, Celine war die Heldin des Tages oder würde es sein, wenn sie den Zugangscode zu Bredows Buchhaltungsdatei entschlüsseln konnte. Aber auch ich hatte mich in Bredows Büro nützlich gemacht.
Eigentlich war die Inspektion seines Schreibtisches nur Zeitvertreib gewesen, aber, wer hätte das gedacht, links, zweite Schublade von oben lag die Akte »Tschenkow, Mischa, geboren am 20. April 1971, stationärer Aufenthalt vom 2. Oktober bis 14. Oktober 1999«. Jetzt nicht mehr. Jetzt lag sie in dem großen Stapel unerledigter Akten auf der Intensivstation. Zu Recht, denn ich würde mich sehr intensiv um diese Akte kümmern. Und dort lag sie vorerst sicherer als etwa in meinem Arztzimmer oder bei mir zu Hause.
10
Es war wieder einmal Samstag, und es war der Morgen nach dem ersten Einbruch meines Lebens. Auch nach meinem ersten Diebstahl, wenn ich mal
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