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Die russische Spende (Stationsarzt Dr. Felix Hoffmann) (German Edition)

Die russische Spende (Stationsarzt Dr. Felix Hoffmann) (German Edition)

Titel: Die russische Spende (Stationsarzt Dr. Felix Hoffmann) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Spielberg
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Staatsexamensanzugs ausziehen. Nach Dohmke kam der Pfarrer dran, der sein »der Herr hat es gegeben, der Herr hat es genommen« und »Asche zu Asche« und tröstende Worte an die Familie loswerden wollte. Für Bredows Geliebte Margret hatte er keinen Trost. Ich hätte gerne gehört, wie er sich aus der Affäre gezogen hätte, wäre er besser über die persönlichen Verhältnisse des Verstorbenen informiert gewesen.
    Während der Pfarrer sprach, überlegte ich mir, wo und unter welchen Umständen wohl Mischa Tschenkow beigesetzt worden war. Wer hatte eigentlich seine Familie von seinem Tod informiert? Gab es eine Frau Tschenkow, gab es Kinder? War er irgendwo hier in Berlin begraben, oder hatte man die Leiche zurück in die Ukraine geschickt? Zu teuer! Vielleicht hatte man ihn hier eingeäschert, und die Urne hat jemand im Handgepäck nach Hause mitgenommen. Dürfen Russisch-Orthodoxe überhaupt verbrannt werden? Hat man ihn dennoch verbrannt, um eine Untersuchung der Leiche endgültig auszuschließen? Ich mußte noch heute Michael Thiel Druck wegen der Blutprobe machen, hoffentlich existierte sie noch.
    Als Bredows Sarg endlich in das vorbereitete Grab herabgelassen war, kam es zu den üblichen Peinlichkeiten. Sollte nun jeder ein Schäufelchen Erde in das Grab werfen, oder stand das nur der Familie zu? Mußten wir alle der trauernden Witwe unser zutiefst empfundenes Beileid aussprechen? Und auch noch den Kindern? Das würde bis nach Feierabend dauern.
    Dohmke löste die Situation, indem er den Sargträgern ein Zeichen gab, das Grab zuzuschaufeln, und die Witwe zu seinem Wagen führte. Frau Bredow schien nicht ganz sicher auf den Beinen. War das die Schwere des Schicksalsschlages, oder hatte sie ihre Trauer im Alkohol ertränkt? Die Trauergemeinde nahm die Chance wahr, schnellen, wenn auch gemessenen Schritts den Friedhof zu verlassen. Viele hatten größere Taschen oder Tüten mit Badezeug dabei und würden noch auf einen kurzen Plansch um die Ecke ins Strandbad Wannsee gehen. Es erinnerte an die Stimmung vergangener Schultage, an Hitzefrei vor einer drohenden Klassenarbeit.
    Ich blieb noch ein wenig und sah mir die Kränze und Blumengebinde näher an. Mein Interesse galt weniger der sprachlichen Originalität letzter Grüße, mich interessierten die Absender. Die Abteilungen für Medizintechnik von Philips und Siemens hatten anscheinend bei derselben Gärtnerei bestellt, eine letzte kleine Aufmerksamkeit für unseren neuen Lithotripter und das Kernspingerät. Nur wenig kleinere Kränze hatten die Dresdener Bank und die Bank für Gemeinwirtschaft abgeben lassen. Deutlich bescheidener war der Kranz unserer Klinik ausgefallen, den Dohmke persönlich angeschleppt hatte. Sonst war alles von Firmen und Einrichtungen, die an unserer Klinik offensichtlich nicht schlecht verdienten. Was hatte ich erwartet? Einen letzten Gruß vom Verein der Spekulanten mit Firmengeldern etwa? Was ich allerdings nicht fand, war ein Kranz der Firma CareClean oder von Hospital Catering Service.
    Inzwischen stand außer mir nur noch Margret auf dem Friedhof, der Mensch, mit dem Bredow in den letzten drei Jahren seine Freuden und Sorgen geteilt hatte. Sie traute sich erst jetzt direkt ans Grab und legte einen Strauß Vergißmeinnicht zwischen die Kränze.
    Die Geliebte eines verheirateten Mannes zu sein ist wahrscheinlich schon zu dessen Lebzeiten eine Kette von Kompromissen mit dem eigenen Stolz und der eigenen Frustrationstoleranz. Gemeinsam geplante und kurzfristig abgesagte Wochenenden, Weihnachten und Geburtstage auf Stunden reduziert, und einsame Abende, wenn der Partner mit Frau und Kindern in den Sommerferien ist. Und stirbt der Geliebte, konzentriert sich alle Aufmerksamkeit wiederum auf die Frau, die der Grund für diese Frustrationen war. Die Geliebte, die eigentliche Vertraute des Toten, bekommt keinen Trost, keine Worte der Anteilnahme. Ihre Anwesenheit ist eher peinlich, man versucht am besten, sie zu übersehen. Ich ging zu Margret und legte ihr den Arm um die Schultern.
    Mit ziemlich belegter Stimme meinte sie: »Daß auf Beerdigungen immer so viel gelogen werden muß!«
    »Nicht mehr als im Leben, denke ich.«
    »Aber was soll dieses Gerede vom tragischen Unfall?«
    »Ich glaube nicht, daß man in einer Trauerrede das Wort Selbstmord benutzt.«
    »Wenn es überhaupt Selbstmord war.«
    Ich sah Margret an und entschied, daß dies nicht der Moment war, nachzufragen.
    Margret und ich hatten uns, wie man so sagt, im Guten getrennt.

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