Die russische Spende (Stationsarzt Dr. Felix Hoffmann) (German Edition)
zwischen Bredows und Mischas Tod. wir würden noch weiter an Bredows Buchhaltung arbeiten müssen.
Inzwischen waren wir Luigis letzte Gäste und baten um die Rechnung. Ich hatte vergessen, daß eigentlich Celine eingeladen hatte, und zahlte. Trotz meiner Müdigkeit fiel mir auf, daß Luigi sich zu meinen Gunsten verrechnet hatte. Ich sagte nichts. Kleine Rache, schließlich könnte er mich auch einmal so herzlich begrüßen wie Celine.
14
Am nächsten Morgen stolperte ich erst einmal über den Altkleiderberg, den Celine vor meinem Kleiderschrank aufgehäuft hatte. Sie fand den Einbruch eine prächtige Gelegenheit, mich endlich von meinen alten Klamotten zu trennen. Wenigstens von denen aus meiner Studentenzeit.
Gut, daß ich ein eifriger Nichtwegwerfer bin. Hatte mich Dohmke doch ermahnt, mich zu Bredows Beerdigung passend zu kleiden. Da lag er, der erste und letzte dunkle Anzug meines Lebens, angeschafft zum Staatsexamen, als ein Anzug noch den Unterschied zwischen gerade so bestanden und leider durchgefallen bedeuten konnte. Und der Wegwerfhaufen gab sogar auch eine dunkle Krawatte her. Ich packte beides in eine Einkaufstüte und machte mich auf den Weg.
Unterwegs zur Klinik kam ich ins Grübeln, ob ich angesichts des Chaos in meiner Wohnung nicht gleich eine jener Entrümpelungsfirmen anrufen sollte, die immer auf der Seite mit den Todesanzeigen inserieren. Eine verführerische Idee, mich neu einzurichten, meine Wohnung, mein Leben. Mit fünfundvierzig Jahren war es nicht zu spät für einen Neuanfang. Schreibers Frau Astrid hatte recht. Ich habe für niemanden zu sorgen außer für mich selbst. Ich muß kein Haus abbezahlen und keine Raten auf eine Lebensversicherung für das Studium der Kinder. Seit ich neulich unter der Dusche das erste graue Schamhaar entdeckt hatte, wußte ich, daß auch meine Tage gezählt sind.
Ich sollte heute nicht gleich in die Klinik fahren, sondern erst einmal zum Friseur. Noch würde es niemandem auffallen, wenn ich mir wenigstens auf dem Kopf den einschleichenden Grauschleier wegfärben ließe. Außer vielleicht Celine.
Ich fuhr nicht zum Friseur, und ich rief auch keine Entrümpelungsfirma an. Ich hatte auch keine Lust, beim Polizeirevier vorbeizufahren, um das Protokoll zu unterschreiben. Schließlich war es nur fair, den beiden Polizisten noch etwas Zeit zu geben, das verschwundene Protokoll wieder aus den Tiefen ihres Laptops hervorzuzaubern. Hätten sie mir eine Gegenüberstellung versprochen, ich wie im Kino verborgen hinter einer Spiegelwand, das wäre etwas anderes gewesen. Aber schließlich hatte ich gar keinen Täter gesehen. Und ich war sicher, daß weder Schweinebacke und Pickelgesicht noch ihre Kollegen mir innerhalb der nächsten hundert Jahre ein paar Verdächtige präsentieren würden. Schade, denn als Betroffener war es vorbei mit meiner bürgerlich-liberalen Einstellung zur Kriminalität!
Es wurde ein kurzer Arbeitstag. Pünktlich für fünfzehn Uhr war Bredows Beerdigung auf dem Waldfriedhof angesagt mit unausgesprochener Anwesenheitspflicht für alle, die nicht zum Notdienst eingeteilt waren. Bei der Wahl zwischen Klinikarbeit oder frischer Luft auf dem Waldfriedhof hatte sowieso der Friedhof gewonnen, der Andrang war so groß, daß Mikrophon und Lautsprecher vorbereitet waren.
Das Mikrophon war unmittelbar neben der Grabstelle aufgebaut, getrennt von den Trauergästen durch ein Meer von Kränzen und Blumengebinden. Dr. Bredow hätte sich wahrscheinlich über den Grad seiner Beliebtheit gewundert.
Dohmke kam in seiner Trauerrede auf Qualitäten zu sprechen, die der Verstorbene uns gegenüber ziemlich erfolgreich verborgen gehalten hatte. Es war nicht weiter erstaunlich zu hören, daß Dr. Bredow »durch einen tragischen Unfall« aus dem Leben abberufen worden war, aber es war mir neu, welch ein Vorbild an sozialem Engagement, väterlichem Führungsstil, Zuverlässigkeit und Aufrichtigkeit der »viel zu früh von uns Gegangene« gewesen war. Er habe, sagte Dohmke, jederzeit eine offene Tür und ein offenes Ohr für alle Mitarbeiter gehabt. Nun, inzwischen wußte ich, daß er wohl mehr eine offene Tasche für die ihm anvertrauten Klinikgelder hatte. Ich fragte mich erneut, ob Dohmke bereits von Bredows doppelter Buchhaltung wußte und ob die Klinik vielleicht längst pleite war.
Im Kino finden solche Beerdigungen immer bei Novemberregen statt, aber wir hatten Juli und herrlichen Sonnenschein. So konnte ich wenigstens das viel zu enge Jackett meines
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