Die russische Spende (Stationsarzt Dr. Felix Hoffmann) (German Edition)
berechnen.«
»Das Programm sagt mir also, ob ich mein Geld verdoppeln oder verlieren werde? Das will ich auch haben!«
»So einfach ist es nicht. Es berechnet nur das Risiko einer Geldanlage, macht dir eine Gewinn-zu-Risiko-Analyse. Anlagefirmen benutzen solche Programme. Die beobachten den Aktienmarkt, und bei bestimmten Entwicklungen kaufen oder verkaufen sie automatisch. Ohne uns Mathematiker läuft heute nichts mehr.«
»Sind das die Programme, die vor ein paar Jahren in New York den Crash verursacht haben, als alle Analysten beim Kaffeetrinken waren, während ihre Computer fröhlich die Börse in den Keller gefahren haben? Ein Hoch auf die Mathematiker!«
Celine spielte die Beleidigte.
»Willst du was über Bredows Spekulationen wissen oder dich über Mathematiker auslassen?«
»Ah, du weißt doch, daß ich Mathematikerinnen liebe.«
»Blödmann! Also, paß auf. Bredow hat seine RiskMetrics-Berechnungen nicht gelöscht. Man kann ohne große Anstrengung nachvollziehen, was er mit dem Klinikgeld gemacht hat.«
»Woher weißt du, daß es das Geld der Klinik war?«
»Gegenfrage. Meinst du, unser toter Freund hatte zwei Millionen Privatkapital für Termingeschäfte an der Börse?«
»Noch mal! Zwei Millionen?«
»Deutsche Mark, zwei Millionen, mein Freund. Das dürfte kaum nicht abgegebenes Haushaltsgeld gewesen sein.«
Ich überschlug die Summe kurz im Kopf. Unsere Klinik hat rund dreihundertfünfundzwanzig Betten. Der Bettensatz ist je nach Abteilung zwischen dreihundert und vierhundertfünfzig Mark, beziehungsweise über tausend Mark auf der Intensivstation. Macht also schon einmal rund 1,7 Millionen im Monat von den Kassen. Dann gibt es noch die Sonderentgelte für Operationen, Investitionshilfen, Privatpatienten – macht einen Monatsumsatz von gut zweieinhalb Millionen.
»Die Versuchung ist groß, und es wird immer wieder gemacht, sagt mein Freund Johannes.«
»Der von der Investmentabteilung ...«
»Richtig, der von der Investmentabteilung. Rechtsanwälte und Notare spekulieren gelegentlich mit Mandantengeldern, manchmal auch Steuerberater.«
»Banken doch sowieso.«
»Nein, Banken zocken ganz legal mit fremdem Geld. Und wenn die Miese machen, werden die in irgendwelchen Fonds versteckt, die sie ihren geschätzten Kunden unterjubeln.«
»Sagt Johannes.«
»Ja, sagt Johannes, nach ein paar Bier. Weiß man aber sowieso. Die Sache hat nur zwei Voraussetzungen. Du mußt das Geld haben und einige Zeit darüber verfügen können. Ein paar Wochen, wenigstens einen Monat, besser noch länger. Und du mußt gute Nerven haben.«
»Wann ging es los mit Bredows schneller Mark?«
Mir dämmerte ein Zusammenhang. Im März letzten Jahres hatte Bredow verkündet, es gäbe einen Fehler im Computerprogramm für die Gehaltsabrechnung, und das gesamte restliche Jahr hinkte unser Gehalt um jeweils einen Monat hinterher. Bis im November das Problem elegant gelöst wurde: Im Dezember gab es endlich das ausstehende Gehalt, dafür aber kein Weihnachtsgeld. Er hatte das Geld von vier Wochen einfach aus dem Verkehr gezogen!
»Und was hat er mit seinen Spekulationen verdient?«
Celine hob die Schultern.
»Kann ich dir noch nicht sagen. Aber er muß ziemlich nervenstark gewesen sein. Denn alles, was er im RiskMetrics-Programm hat durchlaufen lassen, waren nach Bewertung des Programms Risikogeschäfte.«
Ich war platt. Ich hatte irgendeine Verbindung zwischen der Klinik und Firmen wie CareClean und Hospital Catering Service erwartet, irgendeine Masche, um Gewinne in Verluste zu verwandeln. Aber nicht, daß Dr. Bredow, der Mann auf dem Weg zum Staatssekretär, mit meinem Gehalt gezockt und es eventuell vergeigt hatte.
»Das würde wenigstens seinen Selbstmord erklären«, meinte ich. »Er hat zum Schluß unseren Etat in den Sand gesetzt und peng!«
Wenn das stimmte, wäre die Klinik jetzt pleite. Oder, wenn sie noch zu retten war, müßten wir für das halbe Gehalt arbeiten. Schöne Aussichten. Celine befaßte sich mehr mit der Logik als mit meiner Existenz.
»Es wäre ein Motiv, richtig. Falls er die Sache wirklich in den Sand gesetzt hat. Das werde ich noch herausfinden. Aber, es gibt etwas, das nicht dazu paßt.«
»Und das wäre?«
»Alle diese Geschäfte sind im letzten Jahr gelaufen, von Frühjahr bis Spätherbst. Es gibt keine RiskMetrics-Berechnungen aus den letzten sieben Monaten.«
Nun hatten wir endlich eine Spur, aber sie paßte nicht in den Zeitablauf! Noch weniger ergab sie eine Verbindung
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