Die Saat der Bestie (German Edition)
lauter, und sie schrie mich an, ich solle verschwinden und mich nie wieder blicken lassen, schließlich habe ich ihren Mann getötet und das nur, weil er eingefordert hat, was einem Mann zusteht. David, ich sah den Hass in ihren Augen. Ich sah, wie sie ihre kleinen Hände zu Fäusten ballte. Für Sekunden glaubte ich, Buds Augen in ihrem Blick zu erkennen. Bud, der durch den Mund seiner törichten Frau sprach und sein Verhalten zu rechtfertigen versuchte.«
Sam steht auf, geht zum Rand des Stegs und starrt ins Wasser, gerade so, als spiele sie mit dem Gedanken, in den Fluss zu springen. So bleibt sie einige Zeit stehen, während der Wind mit ihren losen Haarsträhnen spielt und David sie aufmerksam beobachtet, bereit, jeder Zeit einzugreifen, sollte der Gedanke die Oberhand über Sams Verstand gewinnen.
»Ich habe sie zurückgelassen«, flüstert sie schließlich dem Wasser zu. »Ich habe meine Sachen genommen und habe Maria im Garten bei ihrem Mann zurückgelassen.«
Der Wind wird kälter und trägt den Abend bereits mit sich. Die Sonnenstrahlen beginnen, die Ruinen der Häuser auf der anderen Flussseite hinaufzuklettern und die Dächer und Funkmasten in roten Schein zu tauchen. Die Schatten auf dem Steg verschwinden.
David betrachtet Sam, die plötzlich nichts mehr von der Kriegerin ausstrahlt. Ihre Geschichte ist erzählt. Am Rand des Stegs steht kraftlos, in sich zusammengesunken, eine Frau, die zu klein für die Welt und ihre Schrecken ist.
In diesem Augenblick erinnert sie David mehr als zuvor an Darleen. Auch sie verlor schnell ihre Stärke und den um sie herum errichteten Schutzwall und ließ sich in Davids Arme sinken, um an ihm und seinen tröstenden Worten Halt zu suchen.
Die grausame Sam, die ihre Geschichte schonungslos und kalt wie eine Jägerin erzählt hat, ist verschwunden und hat einen schutzlosen Menschen zurückgelassen, der zu schwach ist, um all die Erinnerungen der letzten Monate tragen zu können.
David steht auf und spürt die Kälte, die sich während seiner Bewegungslosigkeit in die Knochen gefressen hat. Er geht auf Sam zu, bleibt jedoch zwei Schritte hinter ihr stehen.
»Wie wäre es mit Abendessen?«
Sam reagiert zunächst nicht. Sie starrt ins Wasser, während ihre Finger miteinander spielen. David räuspert sich und blickt an ihr vorbei zur Ruinenstadt auf der anderen Seite. Die Gassen zwischen den Häusern sind verschwunden, die Treppe, auf der sie das Reh gesehen haben, ist nur noch ein wellenförmiges, schwarzes Band.
Sam dreht sich zu David um. Ihre Blicke treffen sich.
»Soll das ein Date sein?«
David geht unwillkürlich einen Schritt zurück und hebt abwehrend die Hände, doch ihr Lachen lässt ihn innehalten.
»Sag einfach ja, und alles ist gut.«
David nickt. »Nach deiner Lebensbeichte ist ein Abendessen das Mindeste.«
Sie lacht immer noch und schüttelt den Kopf.
»Wenn du das für meine Lebensbeichte hältst, wirst du dich noch ganz schön wundern.«
Ein Windstoß weht vom Fluss her, spielt mit Sams Haaren und trägt den Gestank verwesenden Fleisches mit sich.
»Na komm. Vielleicht finde ich noch etwas ganz Besonderes in meiner Speisekammer.« David hält ihr die Hand entgegen und erschaudert, als Sam sie ergreift.
Gemeinsam gehen sie durch die stillen Straßen der Stadt, deren Dächer von der untergehenden Sonne in Brand gesteckt werden.
Als sie bei Lilly vorbeikommen, wirft David ihr einen kurzen Blick zu, zwinkert und ist sich sicher, dass sie es ihm gleich tut. Doch es ist dunkel im Schaufenster, Lilly ist nicht mehr als ein grauer Schatten hinter einer schmutzigen Scheibe. Deshalb kann David sich auch irren.
***
Sie haben gewartet, bis es dunkel ist, damit sie ihre abgezehrten Körper nicht zeigen müssen. In der Nacht ist die Welt stets ein klein wenig stiller. Der Wind hat abgeflaut und lässt totes Land zurück.
Sam spürt die Kühle des Lakens unter sich und die Hitze von Davids Berührungen, die sich über ihre Brüste, den Bauch bis hinunter zu den Beinen ausbreitet. Sie biegt ihren Körper durch, schließt die Augen und ist in Waterbury, während Davids stockender Atem ihr Ohr streift und seine Finger gierig ihre Haut erkunden und in Brand stecken.
Das Dunkel beflügelt ihre Phantasie, und schon nach wenigen Minuten ist es nicht David, der, sich windend, auf ihr liegt, sondern Mike, den sie noch nie so sehr vermisst hat wie in dieser Nacht. Ihre Lippen formen unter Davids Küssen Mikes Namen, während ihre Finger sich in Davids
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