Die Saat der Bestie (German Edition)
lauere dort draußen hinter jedem Baum, jedem Ast und jedem Blatt.
Etwas ist dort draußen.
Die Erkenntnis ergreift sie, hält sie mit klammen Fingern fest und sickert wie trübes Wasser in ihren Verstand. Sie denkt an das Wesen, das sie im Spiegel des Geschäftes zu sehen glaubte. Ein dunkler Schemen, der vor dem Schaufenster kauerte.
Das nächste Bild ist der Flur des Hauses, in dem sie ihre erste Nacht in dieser toten Stadt verbracht hat. Das Gefühl, von etwas beobachtet zu werden, das weder Mensch noch Tier war. Blicke, die ihren Körper abgetastet und ihr Blut in Eis verwandelt hatten. Dieses Etwas ist da draußen, irgendwo in der Dunkelheit, irgendwo im Regen.
Sie fühlt sich seltsam ruhig. Der Gedanke ist so schlicht, dass er schon wieder bizarr wirkt. Geh zurück ins Haus , flüstert eine verängstigte Stimme in ihrem Kopf. Geh in dein Zimmer, verkrieche dich in deinem Bett und warte, bis die Nacht die Kreatur mit sich nimmt.
Doch Sam kann nicht mehr zurück. Wenn sie ihr Gesicht jemals wieder in einem Spiegel betrachten will, muss sie gehen; weiter Richtung Westen, fort von Waterbury, fort von New York, fort von dieser namenlosen Stadt. Fort von David.
Sie tritt auf die Stufen der Veranda. Regen erfasst sie, spielt mit ihrem Haar und kühlt ihr Gesicht. Eine der Stufen knarrt unter ihrem Fuß.
Die Nacht rückt näher an sie heran; wie ein neugieriges, böses Kind, das sich über die Verbote der Eltern hinwegsetzt, stiert sie an und streckt unsichtbare Hände nach ihr aus.
Sam beginnt zu frieren. Nach der Hitze einer leidenschaftlichen Nacht ist die Kälte des Regens unangenehm. Sie verlässt die Stufen, hört das Knirschen des Kiespfades, der zur Straße führt, unter ihren Füßen. Die vertrockneten Büsche vor dem Haus scheinen unheilschwanger ihren Namen zu flüstern.
Mach dich nicht verrückt, du dummes Ding , denkt sie trotzig. Ihre Gedanken erstarren zu Eis, als die Nacht sie wie ein wildes Tier anspringt.
***
Mein Körper zittert. Der Regen kann die Hitze meiner Lenden nicht kühlen. Der erdige Geruch nasser Blätter und Gräser umgibt mich, verfeinert vom Duft der Frau, der an mir haftet und mich in den Stand eines Königs erhebt.
Ich rieche an mir, koste den sauren Geruch zwischen meinen Beinen, der sich mit dem der Frau zu einer ekstatischen Explosion vermischt hat.
Die Welt dreht sich, die Nacht tanzt, begleitet vom wilden, animalischen Rhythmus des Regens und dem infernalischen Hämmern meines Herzens.
Ihr Schatten ist ein Schatten im Dunkeln. Doch ich sehe jede ihrer grazilen Bewegungen.
Ich fühle sie.
Die Nacht hat sich wie ein seidenes, sanftes Tuch um ihren Körper gelegt, versucht, sie zu verbergen. Doch ich sehe sie so, wie sie wirklich ist: nackt, fügsam und brennend. Die Nacht kleidet sie wie meine Königin.
Ihre Gier schwängert die Luft wie einen Raum voller leidenschaftlicher Sünde.
Die Jagd ist zu Ende.
Der Jäger wird zum Gott.
Die Beute erwartet die Gnade ihres Eroberers …
***
Als Sam die Augen öffnet, starrt sie in das grinsende Gesicht von Bill Clinton.
***
Mit neun Jahren mochte sie Toni Di Salvo, einen Jungen, der zwei Häuser weiter wohnte und fast zwölf war. Seine buschigen Augenbrauen, der ernste Blick und seine ruhige Art hatten sie zum ersten Mal mehr als nur Freundschaft für einen Jungen empfinden lassen.
Sam war gerne in Tonis Nähe, sie hörte ihm gerne zu, wenn er etwas erzählte, selbst, wenn sie es nicht verstand. Außerdem roch er viel besser als die anderen Jungen in ihrer Schule und machte sich nicht über sie lustig, wenn sie etwas kindlich Dummes sagte.
Für Toni war Sam an einem heißen Sommertag auf die große Birke im Stadtpark geklettert, einfach deshalb, weil er es auch tat. Sie versuchte, ihm auf jede nur erdenkliche Weise zu gefallen. So sehr ihre Knie auch zitterten und ihre Finger sich in den rauen Stamm des Baumes krallen mussten, so bestand für die kleine Sammy doch nie ein Zweifel daran, dass sie es genauso hoch schaffen konnte wie Toni. Notfalls würde sie mit geschlossenen Augen bis in die Krone der Birke klettern. Je höher beide stiegen und die Welt unter ihnen zurück blieb, desto freier und glücklicher fühlte sich Sam. Dort oben war sie alleine mit Toni, ohne die anderen Kinder aus der Straße und ohne ihre Eltern, die sich immer lächelnd ansahen, wenn sie ihnen voller Begeisterung von Toni erzählte.
Dort oben, im Wipfel des Baumes, gab es nur Sammy und Toni.
Sie erinnert sich noch gut an das flaue
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