Die Saat der Bestie (German Edition)
gebracht wurde, gerade so, als würde sich etwas direkt vor ihr befinden. Oder jemand …
»Du bist wach.«
Sam zuckt zurück. Durch ihre Arme jagen augenblicklich glühende Kugeln, bis hinauf zu den Fingerspitzen und explodieren dort. Sie schwingt wieder nach vorn, ihre Füße verlieren den Halt, dann tauchen ihre Fersen in die stinkende Brühe auf dem Boden. Eine Wolke des Gestanks schwebt wie der Hauch einer verdorbenen Frühlingsbrise um sie herum.
»Na, na, du musst dich doch nicht erschrecken.«
Sams Atem rast durch ihre Kehle, begleitet von unkontrolliertem Grunzen. Ihr Körper spannt sich an, als hätte ihn jemand in kaltes Wasser getaucht.
Sie durchsucht das Dunkel mit blinden Augen, wirft den Kopf nach links, dann nach rechts. Sie kann die Wirbel in ihrem Hals knirschen hören, ihr Schädel scheint dem Bersten nah, so sehr spannt sie ihre Kiefer an.
Für Sekunden gerät ihre Welt vollends aus den Fugen. Sie ist sich sicher, nicht mehr am Leben zu sein, sondern sich in einem besonders grässlichen Alptraum zu befinden, in den die Seelen derjenigen geschickt werden, die eines gewaltsamen Todes gestorben und noch nicht dazu bereit sind, die irdische Welt zu verlassen.
Das ist es , denkt sie und beginnt albern zu kichern. Ich bin tot. Das ist die einzige Möglichkeit. Das hier kann unmöglich mein Leben sein.
Der Gedanke beruhigt sie etwas. Die Detonationen ihres Herzens hören auf, zurück bleibt ein ungleichmäßiges Hämmern, das ihren Körper vibrieren lässt.
Gott, lass mich tot sein. Ich habe dich nie um etwas gebeten und stets versucht, nach deinen Worten zu leben. Bitte erfülle mir diesen einen letzten Wunsch. Lass! Mich! Tot! Sein!
Die Stimme aus der Dunkelheit dringt wie flüssiges Feuer in ihren Verstand. Die Worte waren gedämpft, als würde ein Tuch vor den Mund gehalten.
»Wer …«, keucht sie.
Im nächsten Augenblick steigt etwas Saures ihre Kehle hinauf. Sie spuckt aus und spürt, wie ihr stinkende Flüssigkeit übers Kinn läuft. Eitriger Speichel verklebt ihre Lippen.
Die Dunkelheit kichert leise.
Sams Beine machen einen erneuten, schmerzgeplagten Schritt nach hinten. Doch ihre Arme lassen sie wie ein Pendel wieder nach vorn fallen.
»Du bist hübsch, wenn du Angst hast. So hübsch.«
Die Stimme stößt groteske Zischlaute aus, die Sam an eine Schlange erinnern und jedes einzelne Wort begleiten. Immer noch befindet sich etwas vor dem Mund des Unbekannten, so dass sie die Worte kaum verstehen kann.
»Mit der Angst verlieren die Menschen ihre Masken. Das ist das Faszinierende an der nackten, unverfälschten Urangst. Zurück bleibt nur das reine Geschöpf.«
Die Dunkelheit gibt ein sabberndes Geräusch von sich, als versuche … das Ding … triefenden Speichel zurückzuhalten. Etwas bewegt sich vor Sam. Sie kann spüren, wie der schwarze Vorhang in Wallung gerät, als würde sich jemand langsam durch dichten Rauch bewegen.
»Soo schön«, dringt es leise aus der Nacht, kaum mehr als ein Tuscheln.
Sams Körper versteift sich, sie hält den Atem an und verbirgt ihr Gesicht hinter einem ihrer Arme.
Etwas tastet sie im Dunkeln ab. Keine direkten Berührungen, doch die feinen Härchen an ihrem Körper kribbeln und stellen sich auf, wo das Dunkel nur wenige Millimeter an ihrem bloßen Körper vorbeistreicht.
»Wer … wer bist du?«
Ihre Stimme ist gepresst, ohne Kraft, zitternd vor Angst. Die Berührung hört auf, das Dunkel zieht sich zurück.
»Keine Angst«, flüstert der Unbekannte, wobei er jedes Wort in die Länge zieht. »Ich werde dich nicht kaputt machen. Du bist viel zu schön … soo schön.«
Zum ersten Mal hört sie ein anderes Geräusch, einen einzelnen Schritt.
»Du brauchst keine Angst zu haben, hübsche Sam.«
Es kennt meinen Namen!
»Ich will nur spielen, werde dich nicht kaputt machen. Du wirst noch gebraucht.«
Die Dunkelheit zieht sich zurück, die Nacht ringsum wird ruhig, nichts bewegt sich mehr. Der schwarze Vorhang schließt sich, die Vorstellung scheint beendet.
Nichts atmet.
Doch kein Licht fällt in ihr Gefängnis, niemand hat die Tür geöffnet. Der Fremde ist immer noch da.
Sam windet sich in ihren Fesseln, versucht, sich zu drehen, tanzt auf der Stelle. Sie hört das trockene Knirschen der Lederriemen und das helle Platschen ihrer Füße in der stinkenden Brühe. Sie wirft den Kopf in den Nacken, dreht ihn so weit, dass sie an ihrem Arm vorbeisehen könnte, wenn sie nicht in Schwärze gefangen wäre.
Der Gedanke, dass der Fremde
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