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Die Saat der Bestie (German Edition)

Die Saat der Bestie (German Edition)

Titel: Die Saat der Bestie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Dissieux
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trübe Sicht vom Whiskey herrührt; dem Whiskey und seinen Tränen, die sein Gesicht kühlen. Er ist dankbar, dass er die Gestalt nicht deutlich erkennen kann. Die Grenze zum Wahnsinn ist lediglich eine schmale Linie. Aber im Grunde ist ihm der Umstand, dass er sich selbst gegenüber sitzt, egal geworden.
    Sein Verstand ist berauscht vom Alkohol und seine Empfindungen ein seichtes Gewässer, das kein Sturm der Welt aufzuwühlen vermag. David hat sich mit dem Sterben arrangiert.
    Er blickt Frank in die Augen. Er weiß, dass die Gestalt Frank heißt, denn er hat ihn selbst so getauft. In all den Monaten hat Frank nur in seinem Kopf existiert, ist für ihn da gewesen und hat ihm zugehört, wenn er jemanden zum Reden brauchte.
    Jetzt sitzt Frank ihm gegenüber. David blickt ihm ruhig in die Augen und nickt, wobei sich sein Kopf schwer wie Beton anfühlt und er das Gefühl hat, die Welt würde sich zur Seite neigen.
    »Du hast Recht.« Mit einem lauten Seufzen leert er sein Glas erneut. »Ich will vergessen.«
    Durch das Brennen in der Kehle klingt seine Stimme gepresst, als würde ihm jemand den Hals zudrücken. Seine Worte klingen wie das Schnarren eines Kobolds. Frank betrachtet ihn durch den Schleier hindurch mit ausdruckslosem Gesicht, als würde eine Puppe jenseits der Scheibe sitzen. Lediglich seine Augen scheinen vor Spott zu glitzern. »Du wirst nur das vergessen, was David wusste«, antwortet er und breitet die Hände aus, als sei seine Aussage das natürlichste auf der Welt. »Und das wird nicht viel sein.« Die Puppe stößt ein Lachen aus, das auch ein Husten sein könnte. »Du wirst die Schmerzen und die Einsamkeit der vergangenen Monate vergessen. Und du wirst vergessen, was Sam dir angetan hat.«
    »Sam …«
    David flüstert den Namen, lässt den Kopf hängen und starrt auf die Tischplatte mit ihren dunklen, feuchten Ringen, die das Whiskeyglas darauf hinterlassen hat.
    »Vergiss sie«, keift Frank und schlägt mit der Hand auf den Tisch. »Sie ist es nicht wert, dass du dich grämst. Sie hat dich belogen und benutzt. So wie all die anderen in deinem Leben – so wie Darleen. Willst du dich wirklich daran erinnern?«
    David schüttelt stumm den Kopf. Er reibt das Glas zwischen seinen Handflächen, der Rest des Whiskeys glitzert verführerisch.
    »Na, siehst du. So eine Schlampe ist es nicht wert, dass man sich ihrer erinnert.«
    Frank lehnt sich nach vorn, legt die Ellbogen auf den Tisch und faltet die Hände ineinander. Plötzlich kann David ihn klar erkennen. Ein eisiger Schauer schießt wie eine Gewehrkugel durch seinen Körper.
    »Ich werde dafür sorgen, dass du dich an eine völlig andere Sam erinnerst.« Ein Lächeln verzerrt Franks Gesicht zu einer hässlichen Maske. »Du wirst Sam so sehen, wie du es dir tief in deinem Innern wünschst.«
    Er lehnt sich wieder zurück, verschränkt die Arme vor der Brust und betrachtet David mit diesen unheimlichen, funkelnden Augen. David denkt absurderweise an einen Schneemann, dem man als Augen Diamanten anstatt Kohlestücke in den Kopf gedrückt hat.
    »Alles, was du dafür tun musst, ist, mir zu vertrauen.«
    David greift nach der Whiskeyflasche, doch Franks Hand legt sich auf seinen Arm und hält ihn zurück. Die Berührung ist kalt und hart, als würde sich die Hand eines Verstorbenen auf ihn legen.
    »Vertraust du mir, David?«
    Ihre Blicke treffen sich. Es sind dieselben Augen, die er so oft im Spiegel gesehen hat und die ihm so fremd vorgekommen sind. Augen, vor denen er sich fürchtet.
    Sein benebeltes Gehirn gaukelt ihm vor, erneut in einen Spiegel zu schauen. Vielleicht kann er sich einfach umdrehen und gehen, so wie er es sein Leben lang getan hat. Davids Blick wandert zu seiner Hand, die nur wenige Zentimeter von der Flasche entfernt von Franks hartem Griff gehalten wird. Dann sieht er Frank – sich selbst – wieder in die Augen.
    Nein, diesmal würde er nicht einfach so weggehen können. Seinem Spiegelbild konnte er den Rücken kehren, doch Frank ist nicht länger in einem Spiegel gefangen. Er hat sich der Fesseln von Davids Phantasie entledigt und ist aus seinem Unterbewusstsein wie ein Phoenix aufgestiegen. Ein düsteres, geisterhaftes Wesen, das ihm überall hin folgen würde, egal, wie weit David auch laufen würde. Nein, sich umdrehen und einfach fortgehen funktioniert nicht mehr.
    David versinkt langsam in der ruhigen See, die seine Gedanken erfüllt. »Ich vertraue dir«, flüstert er unverständlich. Seine Zunge scheint zu groß für

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