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Die Saat der Bestie (German Edition)

Die Saat der Bestie (German Edition)

Titel: Die Saat der Bestie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Dissieux
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glühen beginnt und die Silhouette der Bürohäuser auf der anderen Seite des Flusses mit goldenem Schimmer überzieht. David , denkt Sam voller Schwermut, als sie an ihren Tag am Pier zurückdenkt; an das Reh und ihre Geschichte über Bud und Maria, die sie ihm erzählt hat, an das Schweigen einer toten Stadt, die einmal voller Menschen in Anzügen, teuren Wagen und Designerklamotten gewesen ist.
    Der Tag scheint Jahre zurückzuliegen und doch ist ihr die Erinnerung an Davids sanftes Gesicht und seine zurückhaltende Art so deutlich in Erinnerung, als hätten sie sich erst vor wenigen Minuten das letzte Mal gesehen. David ist der einzige, der ihr helfen kann. Sam beginnt, sich plötzlich Sorgen um ihn zu machen. Was ist, wenn Bill sich nicht nur auf weibliches Fleisch konzentriert?
    David ist kein Kämpfer, so viel hat Sam in der kurzen Zeit, in der sie sich kannten, herausgefunden. Er ist ein wundervoller Zuhörer, ein Freund, auf den man sich verlassen kann, und ein begnadeter Liebhaber. Aber er ist kein Kämpfer. Bill hingegen ist die Ausgeburt des Wahnsinns, und ein Kampf zwischen diesen beiden Männern würde nur einen Sieger kennen.
    Sam geht zur Straßenmitte und blickt in alle Richtungen. Am Ende der Straße kann sie die Ruinen der Bürogebäude erkennen. Finstere Schatten, die wie die zerfetzte Kulisse eines Horrorfilms anmuten. Sie glaubt sogar den schwachen Geruch des Flusses in der Nase zu haben. In der anderen Richtung führt die Straße tiefer in die Stadt hinein.
    Sie beschließt, vom Fluss weg in Richtung Zentrum zu gehen. Irgendwann würde sie sich an etwas erinnern und so den Weg zu David finden. Trotz ihrer bizarren Bewaffnung wächst die Sorge um ihren Freund mit jedem Schritt.

    ***

    Als Sam durch die Straßen geht, den Dackdeckerhammer mit der klauenartigen Spitze in einer Hand, denkt sie an den Tag in New York zurück.
    Ihre Tante hatte den nagelneuen Plymouth in Lower Manhattan auf dem Parkplatz einer Grundschule abgestellt. Von dort aus waren sie zur nächsten Metrostation gelaufen, ihre Tante mit leuchtenden Augen, in einem albernen Neil-Young-T-Shirt, und Sam mit der Unsicherheit eines Kindes, das sich zum ersten Mal in ihrem Leben einer derart gigantischen Stadt ausgesetzt sah. Je näher sie dem Zentrum der Metropole kamen und die Häuser größer und funkelnder wurden, umso unwirklicher erschien Sam der Tag. Sie hatte sich verloren und einsam gefühlt, auch wenn die Tante keine Sekunde von ihrer Seite gewichen war und in besonders dichtem Gedränge sogar Sams Hand genommen hatte.
    New York war ihr wie eine kunstvoll gestaltete Geisterbahn erschienen, nur zu dem einen Zweck erschaffen, junge, naive Mädchen in die finsteren Gänge mit ihren scheußlichen Gespenstern zu locken. Sie hatte sich damals geschworen, sich nie wieder in die Schluchten einer fremden Stadt zu begeben, erst Recht nicht in die Fänge eines so gefräßigen Monsters, wie New York es war.
    Davids Stadt ist nicht mit New York zu vergleichen, dennoch fühlt Sam sich ebenso verloren und zerbrechlich, wie sie es damals an der Hand ihrer Tante tat, nur mit dem Unterschied, dass sie diesmal zu keinem Konzert geht. Vielmehr sucht sie in diesem Labyrinth aus Straßen, Gassen und verwaisten Plätzen den Weg zu dem einzigen Menschen, der ihr in ihrem Leben geblieben und der vielleicht sogar schon nicht mehr am Leben ist.
    Sam versucht, diesen letzten Gedanken zu verdrängen. Ihre Mutter hatte ihr einmal während eines Gespräches gesagt, dass schlechte Gedanken in jeder Lebenslage kontraproduktiv seien und den klaren Verstand, der den Frauen eigen sei, zu etwas verkommen lasse, das sie nicht mehr kontrollieren können. Doch in einer Welt wie dieser, kann selbst der absurdeste Gedanke zu schrecklicher Gewissheit heranreifen, so kontraproduktiv er auch erscheinen mag.
    Bill ist ein Monster, er versteckt sich in dieser Stadt. Und David … David ist kein Kämpfer.
    Sam wünscht sich plötzlich wieder nach New York zurück – mitten in eine Horde geschäftiger, rücksichtsloser Menschen, die sie anrempeln, die alle gleich aussehen, gleich riechen und zu einer einheitlichen grauen Masse verschmelzen. Sie wünscht sich die Berührung der Hand ihrer Tante, die Vorfreude auf das Konzert in Augen, die für einen Abend wieder jung aussehen, und ein geschmackloses T-Shirt, das sich dicht neben ihr durch den Ameisenbau der Metropole schiebt. Sie will mit dieser grauen Masse verschmelzen, Teil von ihr werden und sich anonym von ihr

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