Die Saat der Bestie (German Edition)
Straße um, für einen einzigen Augenblick unschlüssig, was sie tun soll. Dann geht sie zur Hauptstraße zurück, auf der sie vor so vielen Tagen und Nächten die Stadt erreicht hat, nicht ahnend, dass es grässlichere Monster gibt, als Bud eines gewesen ist.
Ohne einen Blick zurück verlässt sie Davids Stadt. Keine Gedanken mehr, keine Erinnerungen an den Pier oder Neil Young, der in Davids Haus zu Gast war. Die Bilder sind nur noch verschwommene Flecken.
Scheiß auf ihre Schwester. Sie ist genauso tot wie der Rest der Welt. Sam muss damit aufhören, sich an irgendwelchen Lügen zu orientieren. Das Leben selbst ist eine einzige Lüge in dieser Welt.
Von jetzt an geht es nur noch um Sam. Und Sam will nach Hause, einfach nur nach Hause. Zurück nach Waterbury. Zurück zu ihren Erinnerungen vor David, zu den Tränen und ihrem alten Leben.
Das Leben auf der Straße war nicht gut zu ihr. Diese neue, von Gott verfluchte, graue Welt versucht lediglich, ihr das bisschen Leben, das ihr geblieben ist, auszusaugen.
In Waterbury ist sie sicher. In Waterbury wartet vielleicht sogar Neil Young auf sie.
Maria
Die Welt kommt ihr noch etwas leerer vor, die Straßen einsamer und der Himmel höher und unerreichbar. Während sie über Straßen, Felder und Highways läuft, denkt sie über David nach, auch wenn sie es nicht will.
Sie geht auf dem Mittelstreifen – wie immer – obwohl ihr ihre Sicherheit egal geworden ist. Die Kraft zum Kämpfen hat sie in Davids Stadt verloren, deren Namen sie immer noch nicht weiß. Selbst der Wille zum Überleben scheint irgendwo in den Gassen dieser Stadt zurückgeblieben zu sein. Vielleicht hat sie ihn in dem Moment verloren, als sie David tötete. Jetzt, da einige Tage vergangen sind, kann sie sich wieder an alles erinnern, als hätte sich ein Schleier in ihren Gedanken gelüftet, um ihr mit einem höhnischen Kichern die ganzen Ausmaße ihres Alptraumes zu präsentieren.
Sie weiß, auf welch bestialische Weise sie die magere Brust des Mannes bearbeitet hat, sie hört die Schreie in der Nacht in ihren Träumen und kann sein Blut auf ihren Lippen schmecken. Meistens lösen ihre eigenen Schreie die von David ab, doch manchmal schläft sie trotz der grauenvollen Bilder bis in den frühen Morgen und fühlt sich beim Erwachen, als sei sie irgendwann in der Nacht gestorben.
Seltsamerweise denkt Sam oft an Lilly. Wenn man es genau nimmt, hat ihr Davids alberne Schaufensterpuppe das Leben gerettet, indem sie ihren Arm als Waffe angeboten hat.
Darüber nachzudenken, was geschehen wäre, wenn David sie in seiner Wut nicht in die Auslage des Schaufensters (und somit auf Lilly) geschleudert hätte, wagt Sam nicht. Man sollte einem Verstand, der ohnehin im Sterben liegt, nicht mehr zumuten, als er verkraften kann.
Die Welt ist noch ein klein wenig stiller geworden. Sie weiß nicht, ob es an der Tatsache liegt, dass David nicht mehr am Leben ist, oder ob sich die Welt wirklich verändert hat und sich unaufhaltsam ihrem Ende entgegen dreht.
Sam läuft immer weiter Richtung Osten. Dorthin, wo sie hergekommen ist. Manche Straßen kommen ihr bekannt vor und auf manchen Feldern kann sie ihre alten Lager finden. Steine, die sie in einem Kreis angeordnet hat, um ein Feuer zu machen, oder niedergetrampelte, vertrocknete Ähren und Gräser, wo sie geschlafen hat. Die kalte Asche der Feuer erinnert sie an ihr eigenes Leben. Früher brannte es mit einer wärmenden Glut, die voller Hoffnung und Leben steckte; jetzt ist nur noch grauer, stinkender Staub übrig.
Sam benutzt die alten Lagerstätten nie zum Übernachten. Oftmals nicht einmal dieselben Felder. Möglichst weit weg von ihrem alten Leben, in welchem sie naiv gewesen ist und dem Ruf einer Lüge folgte.
Es ist schon merkwürdig , denkt sie, meistens am Abend, wenn sie auf dem Rücken liegt und zu Sternen empor schaut, die zu weit weg sind, um sie einzufangen. Je mehr Schlechtes sich einem Menschen entgegenstellt, umso klarer wird der Verstand und man sieht die Dinge so, wie sie wirklich sind. Sam fragt sich auch, ob ihr das in ihrem früheren Leben schon bewusst gewesen ist. Sie kann sich nicht daran erinnern, wie sie früher war, was für ein Mensch sie gewesen ist. Vielleicht hat ihre Reise sie zu einem völlig anderen Menschen geformt. Wie eine Schlange hat sie in Davids Stadt ihre alte Haut abgeworfen und ist neu geboren worden. Aber wenn dem so ist, wieso fehlt ihr dann jeglicher Wille zum Leben?
Als sie die dunkle Silhouette von New York in
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