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Die Saat der Bestie (German Edition)

Die Saat der Bestie (German Edition)

Titel: Die Saat der Bestie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Dissieux
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Werkzeug zu greifen versucht. Sam prallt hart mit der Schulter gegen die Theke. Instinktiv tastet sie mit der Hand nach ihrem Fuß und spürt frisches Blut, das aus einer Wunde am Knöchel sickert.
    Im nächsten Moment wird sie von kräftigen Händen gepackt und vom Boden gezerrt als wäre sie eine Puppe. Davids triumphales Heulen droht ihre Trommelfelle zu zerreißen. Seine Hände krallen sich wie die Fänge eines Raubtieres in Arme und Brust. Hilflos wirbelt Sam durch die Luft, der Hammer rutscht aus ihrer schweißnassen Hand und poltert gegen den Tresen. Ehe sich Sam bewusst wird, was geschieht, dreht sich der Raum in einem wilden Chaos aus Farben, Dunkelheit und Gestank um sie herum. Sie wird durch die Dunkelheit gewirbelt, sieht das graue Rechteck der Schaufensterscheibe vor sich, dann wieder undurchdringliche Nacht, dies alles begleitet vom feuchten Gestank nach Schweiß und Urin, der David wie einen Schleier umhüllt.
    Das Schaufenster taucht erneut vor ihren Augen auf, darin die hoch aufgerichtete Gestalt von Lilly, der einzigen Zuschauerin ihrer kleinen burlesken Aufführung. Dann werden Sam und Lilly eins. Sam schließt die Augen, fällt hart auf das Podest der Schaufensterauslage, oben wird zu unten, graues Licht wirbelt wie ein riesiges Blatt im Wind um sie herum.
    Für Sekunden wird es still um Sam. Sie liegt auf dem Rücken, ihr Körper ist eine einzige Wunde. Den Schmerzen hat sie es zu verdanken, dass sie es schafft, nicht vollends die Besinnung zu verlieren. Als sie die Augen wieder aufreißt, starrt sie zur Decke hinauf. Sie kann Davids wahnsinniges Geheul hören. Im Augenwinkel sieht sie seine groteske Gestalt in der Dunkelheit tanzen.
    Lilly ist verschwunden, das Schaufenster leer. Doch einen Teil der Puppe hält Sam in der Hand. Mit der verständnislosen Überraschung eines kleinen Kindes betrachtet sie den kalten Plastikarm, den sie Lilly bei ihrem gemeinsamen Sturz aus der Schulter gerissen hat. Der Kunststoff erscheint inmitten des Chaos und der bleifarbenen Finsternis seltsam bleich, als würde er von innen her leuchten. Was Sams Blick jedoch augenblicklich fesselt, ist das dumpf glänzende Stück Stahl, das aus dem Ende des Armes ragt … die Schraube, mit der Arm und Schulter verbunden waren.
    Sams Griff verstärkt sich fast automatisch. Während sie ihre Hand in die von Lilly legt, als seien sie alte Freundinnen, die sich nach langer Zeit wieder treffen und sich begrüßen, legt sich die andere Hand um Lillys Unterarm. Im Hintergrund kann sie Davids Bellen hören, das schauerlich in dem kleinen Raum widerhallt. Er johlt wie ein irrsinniges Kind, das den Weihnachtsmann foltert. Die Schmerzen sind vergessen. Sam dreht den Kopf, damit sie den Schatten der Kreatur erkennen kann.
    David schleicht langsam näher; geduckt und vorsichtig, jedoch mit der hungrigen Gewissheit einer Bestie, die sich ihres Opfers sicher ist. Sein Jaulen ist zu erschöpftem Keuchen verebbt. Die feinen Linien des Regens auf dem Schaufenster streicheln beinahe zärtlich über seinen teuflischen Körper und lassen ihn wie ein makabres Kunstwerk erscheinen.
    Sam dreht sich langsam und lautlos auf die Seite, zieht ihre Beine an. Lillys Arm wird zu einem festen Teil von ihr. Davids graue Masse kommt näher, ragt über ihr auf wie der Schatten des Höllenfürsten selbst. Der Gestank faulen Fleisches begleitet ihn.
    »Du gehörst mir, kleine Sammy-Schlampe«, flüstert David kaum verständlich. Speichel tropft auf Sam. »Ich werde dich solange vögeln, bis du nur noch Staub bist.« Er kichert.
    Sam packt Lillys Arm noch fester. Die Haut an ihren wundgescheuerten Handgelenken bricht noch weiter auf und taucht ihre Unterarme in glänzende Schwärze. Sam schreit, jedoch nicht vor Schmerz. Sie stößt all ihre Anspannung, all ihren Hass und all ihre Angst in einem einzigen, wilden Schrei in die tote Welt hinaus. Sie spannt ihre Beine an, ignoriert den stechenden Schmerz in ihrem Fuß und schnellt nach oben. Ihr Sprung ist eine einzige, fließende Bewegung, ihr lang ersehnter Solotanz auf der Bühne, währenddessen sie mit Lillys Arm ausholt, als würde sie beim Baseball einen Homerun schlagen. Die Luft singt ein dumpfes Lied, als sie wie von einem Schwert zerteilt wird. Doch ist es kein verdammtes Spiel und auch kein Ball, den die eiserne Schraube in Lillys Arm trifft.
    David stößt ein gurgelndes Keifen aus, als der Stahl sich in seine Schläfe bohrt. Sam wird von ihrem eigenen Schwung von den Beinen gerissen, prallt gegen

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