Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Saat der Erde Roman

Titel: Die Saat der Erde Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Cobley
Vom Netzwerk:
wirkten zernarbt und verwittert. Er berührte den Stein, der sich wärmer anfühlte als die Luft. Dann fuhr er mit der Fingerspitze eine der Linien entlang, einen weiten Bogen mit mehreren Windungen, betastete die abgerundeten Kanten und den raueren Stein zu beiden Seiten …
    Plötzlich leuchtete die Vertiefung unter seinen Fingern auf, und das Licht breitete sich rasend schnell in beide Richtungen aus. Er riss die Hand zurück, doch das Leuchten breitete sich immer weiter aus, wie ein Silberfaden, der sich teilte, immer neue Windungen beschrieb und sich immer weiter auffächerte. Von Panik erfasst, richtete er sich auf, wollte zu der Lücke in der Umgrenzungsmauer zurückweichen … und stieß gegen eine unsichtbare Barriere. Angsterfüllt wandte er sich ab, trat einen Schritt zur Seite … und stieß gegen eine weitere Barriere. Sie war hart und vollkommen transparent: Wenn er sie anleuchtete, war ein schwacher Kräuselungseffekt wahrzunehmen, der rasch verblasste. Gegen seine Panik ankämpfend, drehte er sich um, leuchtete mit der Taschenlampe und entdeckte eine offene Stelle, doch ehe er einen Schritt tun konnte, sagte in der Nähe Chel in eindringlichem Ton: »Gregori, wenn dir dein Leben lieb ist, bleib, wo du bist - rühr dich nicht von der Stelle!«

27 Chel
    Die Meditationssäule der Gelassenheit hatte ihm Klarheit gebracht. Mit offenen Augen und hellwachen Sinnen hatte Chel in die Säule geblickt, und die Säule hatte ihm einen wundervollen, vielschichtigen Strom von Erkenntnissen und Offenbarungen unabweisbarer Wahrheit vorgesungen, der sich unmittelbar in sein Bewusstsein ergoss. Sei unwandelbar und ändere nicht den Lauf der Welt, das höchste Ziel, die übernatürliche Wahrheit.
    Und wenn alle Wege zum Tod führten, war es natürlich gleich, welche Tür man wählte, und als er sich für die mittlere entschied, ließ sie ihn problemlos passieren. Nach ein paar Schritten musste er überwältigt innehalten - der große Raum lebte vor seinen Augen! Der Schein der Taschenlampen, die mit bunten Wandbehängen geschmückten Wände, die pulsierenden Energiemuster, versandte und empfangene Nachrichten, das Kommen und Gehen der Besucher, Begrüßungen und Abschiede, Unterhaltungen, Anweisungen und Gebete. Mit den Augen der Gelassenheit sah Chel die in der Vergangenheit bewirkten Veränderungen: selbst unwandelbar, erblickte er den Warpbrunnen in all seiner schlummernden Pracht, schaute seinen Verwendungszweck als Reiseportal, kundig gehandhabt von den Uvovo-Ahnen.
    Er versuchte, etwas davon an Gregori zu übermitteln, der an ihm vorbeigeschritten war, blind für all das Wunderbare, aber gleichwohl beeindruckt von den Abmessungen des Raums und den gebändigten Unterströmungen
des schlummernden Warpbrunnens. In Chels Augen stellte sich die Oberfläche des Brunnens als dunkle, trübe Schicht dar, als dicke, schwach durchscheinende Platte, die eine nebelhafte Tiefe verhüllte. Nicht tot, aber auch nicht wach - der Warpbrunnen schlief.
    Er hatte sich auf den Steinboden gesetzt, um sich ein wenig auszuruhen und sein Bewusstsein in einen wahrhaft unwandelbaren Zustand zu versetzen. Irgendetwas aber fehlte, etwas hielt seinen Geist zurück, hielt ihn fern von der trostreichen, freudigen Gewissheit der unteilbaren Gelassenheit. Während eben noch das Gebot der Gelassenheit rein und vollständig in seinem Bewusstsein gegenwärtig gewesen war, wirkte es nun vage und unbeständig. Beunruhigt versuchte er, sich in diesen kostbaren Seinszustand zurückzuversetzen, ein Bollwerk zu errichten und dessen Fundamente zu verstärken …
    Da durchdrang klar und deutlich das Geräusch von Gregoris Schritten auf der Oberfläche des Warpbrunnes seine wirren Gedanken.
    Er richtete sich auf, die Gelassenheitsmeditation fiel von ihm ab wie nebelhafte Fetzen. Die Schritte dröhnten wie Hammerschläge, und der Nachhall wurde von den Mustern im Stein nach unten weitergeleitet. Funkelnde Gewebe schimmerten in der Düsternis unter der trüben Abdeckplatte. Irgendetwas reagierte, und wenn dies zum Zweck der Selbstverteidigung geschah …
    Er rannte den Kreisgang entlang. Gregori hatte sich ein paar Meter weit auf die Oberfläche begeben und war in die Hocke gegangen. Im Schein seiner Taschenlampe berührte er das Muster. Sogleich schraubten sich unter dem Menschen leuchtende Fortsätze in die Tiefe, während um ihn herum Absperrschleier auftauchten. Gleichzeitig leuchteten im weiteren Umkreis Muster auf. Der Warpbrunnen
versuchte, sich zu

Weitere Kostenlose Bücher