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Die Saat der Erde Roman

Titel: Die Saat der Erde Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Cobley
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sich um, leuchtete ebenfalls die Wand an und betrachtete regungslos die Kreisfelder. Nur seine neuen Augen bewegten sich. Nach einer Weile seufzte er, neigte den Kopf und murmelte etwas auf Uvovo. Als er den Kopf wieder hob, waren auch seine ursprünglichen Augen geöffnet und musterten konzentriert die Wand. Der Strahl seiner Taschenlampe zitterte, und Greg war sich
unsicher, ob er schweigen oder etwas sagen sollte. Dann sog Chel stockend den Atem ein und wandte sich mit geschlossenen Augen ab. Die Taschenlampe baumelte an seinem Gürtel.
    »Der Text lautet: Wähle deinen Weg in den Tod.«
    »Wie freundlich«, meinte Greg.
    »In den Litaneien des Ewigen heißt es, alle Wege führen zum Tod, und jeder Tod führt zum Ewigen … weshalb also drei Türen?« Bis jetzt hatte er die neuen Augen geschlossen gehabt, doch nun funkelten sie im Schein der Taschenlampe. »Und weshalb vier Säulen?« Er näherte sich der ersten, leuchtete sie mit der Taschenlampe an und legte die flache Hand darauf.
    »Pass auf, Chel, dass du dir keine Erfrierungen zuziehst«, sagte Greg.
    »Eine Weile halte ich das schon aus, Gregori. Die Säulen haben etwas Merkwürdiges an sich … leuchte mal hierher - danke.« Von der Säule ging ein seidiger, stumpfer Schimmer aus. Chel schüttelte den Kopf. »Das ist kein Stein. Genau wie die Säulen auf dem Gang bedeutet sie etwas, aber ich kann nicht erkennen, was es ist - weder mit diesen Augen noch mit den anderen.« Er deutete erst auf seine ursprünglichen Augen, dann auf das äußere Augenpaar auf der Stirn.
    »Was ist mit den anderen beiden?«, fragte Greg.
    Ohne den Blick von der Säule abzuwenden, erwiderte der Uvovo: »Willst du, dass ich meine geistige Gesundheit aufs Spiel setze, Gregori?«
    »Das würde mir niemals in den Sinn kommen, Chel«, sagte Greg. »Wenn es zu riskant für dich ist, dann gehen wir eben wieder nach oben und schauen, ob es einen anderen Weg gibt, deiner … Berufung gerecht zu werden.«

    Chel lächelte. »Ja, es ist riskant, aber da ich als Techwerker-Uvovo jetzt Verantwortung trage, muss ich das Geheimnis unter Einsatz all meiner Fähigkeiten erforschen. Sonst wäre ich Segranas Gaben und ihres Auftrags unwürdig.«
    Er schloss alle sechs Augen und stand eine Weile mit gesenktem Kopf reglos da. Unvermittelt straffte er sich, riss die beiden mittleren Stirnaugen auf, sah kurz Greg an und fasste dann die Säule in den Blick. Greg schaute zu und versuchte, nicht an die kalte, unerbittliche Entschlossenheit zu denken, die er zuvor in Chels Augen erblickt hatte.
    Chels Blick schien sich in die Säule hineinzubohren. Hin und wieder zuckte er zusammen und ruckte leicht mit dem Kopf, während sich seine Lippen lautlos bewegten. Dann trat er unvermittelt einen Schritt zurück und ging zur nächsten Säule, das Gesicht zu einer großäugigen Grimasse verzerrt. Nach einer Weile ging er zur dritten Säule weiter und schließlich zur letzten. Als er sich abwandte, waren alle seine Augen fest geschlossen, und in seinem Gesicht zeichnete sich tiefer Schmerz ab. Als er auf die Knie fiel, fing Greg ihn auf und half ihm, sich auf die Seite zu legen; Chel hielt sich die Hand, mit der er die Säulen berührt hatte, und als Greg ihn am Handgelenk berührte, stellte er zu seinem Entsetzen fest, dass es eiskalt war.
    Auf einmal hatte er Gewissensbisse. Mein Gott, was habe ich getan?
    »Bei der Prüfung … geht es um den richtigen Weg zum Tod«, sagte Chel mit rauer Stimme. »Die Säulen sind Meditationshilfen, die bestimmte Gedanken auf den Meditierenden übertragen, ein System von Glaubenssätzen und Instinkten, die alles andere in den Hintergrund treten lassen.« Er richtete sich in eine sitzende Haltung auf und
zeigte mit der unversehrten Hand nacheinander auf die Säulen. »Angst, Flucht vor Feinden; Dominanz, die Schwachen vernichten oder berauben; Arroganz, das Streben nach Gutsein; Gelassenheit, beständig und keinen Wandel schaffend.« Der Uvovo lächelte unsicher. »Wäre ich ein voll entwickelter Lauscher oder hätte ich mich mit offenen Sinnen der falschen Säule genähert, wäre ich davon überwältigt worden und bald darauf in der Falle, die sich hinter den Türen verbirgt, umgekommen.«
    »Dann werden wir dich in Zukunft Glückspilz nennen, Chel«, meinte Greg.
    »Diesen Titel würde ich mit Freuden tragen«, erwiderte der Uvovo und richtete sich auf. »Wenn wir das alles überstanden haben. Zunächst aber muss ich mich der Säule der Gelassenheit öffnen …«
    »Bist du

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