Die Saat der Erde Roman
vor den Wetterphänomenen des Mondes Niwjesta schützte und die zahlreichen Mikroklimazonen regulierte, die sich unter dem Blätterdach fanden, während die niedrige Schwerkraft das Größenwachstum der Bäume und anderer Pflanzen förderte.
Außerdem wusste sie, dass eine Landkarte etwas anderes war als das Land und dass Segrana zahlreiche Geheimnisse barg. Satellitenmessungen hatten ergeben, dass die äußersten Ausläufer des Waldes bis in eine Höhe von knapp zwei Kilometern über Meeresspiegel reichten und dass einige der unsichtbaren Täler fast zwei Kilometer darunter lagen, woraus man schließen musste, dass die Wurzeln des Waldes noch tiefer reichten, eine uralte und allgegenwärtige Umklammerung. Eine halbe Stunde nach Empfang des Signals des Bewegungsmelders war Catriona nun auf dem Weg nach unten, um nach dem Beweis für eine wilde Theorie zu suchen.
Zu beiden Seiten reckten sich gewaltige Baumstämme dem Licht entgegen, einige spiralförmig umeinandergewunden, um sich gegenseitig zu stützen, andere sich gegenseitig schneidend, wobei Kreuzungspunkte entstanden, auf denen die Dörfer der Uvovo lagen, leuchtende Ansammlungen von Lampen, kegelförmigen Dächern und undeutlich erkennbaren Gestalten, die inmitten der undurchdringlichen Düsternis von Siedlung zu Siedlung wanderten oder kletterten. Eine solche Siedlung lag unmittelbar
unter ihr, doch Catriona hatte Pgal vor dem Aufbruch klare Anweisungen gegeben, und so lenkte er den Trictra zur Seite, hinter einen dichten Schirm kultivierter Symbionten. Catriona zog sich die Kapuze ihres weiten Gewands tief ins Gesicht, um nicht zufällig als Mensch erkannt zu werden. Dennoch gingen sie ein Risiko ein, denn nur Lauscher begaben sich in solcher Tracht in den Unterwald.
Bald darauf lag das Dorf hinter ihnen, und sie drangen weiter in die Tiefe vor. Sie holte einen kleinen Funkpeiler unter dem Gewand hervor und tippte Pgal auf die Schulter.
»Ein wenig nach links«, sagte sie.
Der Uvovo-Hirte nickte wortlos und lenkte den spinnenartigen Trictra an einem von mehreren langen, dicken Ranken nach unten. Wie die Ankertaue eines gewaltigen Schiffes schwangen sie sich in die Düsternis, Flechtenvorhänge hingen davon herab. Andere schlängelten sich wie dicke Adern an den knorrigen, bemoosten Baumstämmen und Ästen entlang und saugten Feuchtigkeit und Nährstoffe auf, von denen eine Unzahl von parasitären Pflanzen lebte. Während der Trictra sich an einem dieser riesigen lebenden Türme festklammerte, schwenkte Catriona den Kopf und lächelte, wenn sie einen ihr bekannten Käfer oder ein Reptil entdeckte, das sie instinktiv mit den Einträgen in ihrem Klassifizierungsgedächtnis abglich. Jedes Mal, wenn sie eine neue Entdeckung machte, speicherte sie sie für spätere Bearbeitung in einem Erinnerungsspeicher ab.
Ich besitze all die Gedächtnisvorteile eines Menschen mit getunten Genen, dachte sie, jedoch ohne die Fähigkeit zur Selbstprogrammierung, die mir einen gut bezahlten Forschungsjob in leitender Stellung eingebracht hätte. Wie langweilig das gewesen wäre …
Catriona war eine gescheiterte Getunte. Ihr Keimplasma stammte aus den Kryospeichern der Hyperion und war genetisch verändert worden, um ihr Erinnerungsvermögen zu steigern und sie in die Lage zu versetzen, die Informationsverarbeitung bewusst zu steuern. Die verfeinerten höheren Funktionen ermöglichten es einem Getunten, das eigene Gehirn wie einen programmierbaren Computer zu benutzen, Makros zu verwenden und eigene oder fremde Theorien zu testen; die besten fanden intuitiv die besten Problemlösungen. Catriona aber gehörte der dritten und letzten Generation an und war in einer Zeit, da es in unvorhersagbaren Entwicklungsstadien noch immer zu Anomalien kam, von einer Leihmutter zur Welt gebracht worden. Die Fähigkeit, aus eigener Kraft neurale Pfade zu initiieren, hatte sie mit fünfzehn verloren, dann destabilisierte sich auch noch das bereits von ihr entwickelte neuronale Netz. Im Alter von siebzehn Jahren waren ihr die Altersgenossen weit voraus, und sie betrachtete sich als ganz gewöhnliches Mädchen, allerdings mit einem ausgezeichneten Gedächtnis.
Und das war den Zuchtmeistern, die das Zhilinsky-Haus führten, einfach nicht genug , dachte sie verbittert.
Nach dem Ausscheiden aus dem Tuningprogramm war ihr Gedächtnis in Kombination mit ihrem obsessiven Interesse an der Ökologie Dariens und Niwjestas etwas, woran sie sich festhalten konnte. Es führte sie auf eine berufliche
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