Die Saat der Erde Roman
kannte.
»Ich grüße Sie, Lauscher Weynl«, sagte sie. »Heute schon irgendwelche Pfadmeister gesehen?«
Das Lächeln des Uvovo-Lauschers verlieh seinem länglichen Gesicht das Aussehen eines Totenschädels, doch sein Auftreten war höflich und gutmütig.
»Gestern nicht, Frau-Doktor, und heute auch nicht. Das ist doch nur Ssu-ne-ne, ein Mythos oder?« Er runzelte die Stirn. »Es gibt noch ein anderes Wort in Ihrer noranglischen Sprache - ah, ja, eine Fabel, eine Geschichte zum Zwecke der Belehrung, nichts weiter.«
»Das höre ich nicht zum ersten Mal«, sagte sie. »Auch schon aus Ihrem Mund, doch ich bin auch auf Berichte gestoßen, die etwas anderes vermuten lassen.«
»Einige arbeitende Angehörige der Gütigen Uvovo haben eine naivere Auffassung von Ssu-ne-ne. Sie lassen sich häufig von Dingen wie diesem alten Steinkreis in die Irre führen. Dabei war das früher ein ganz gewöhnlicher Treffpunkt und Marktplatz …«
Während sie sich unterhielten, lenkte der Lauscher seinen Trictra auf den Boden hinab. Catriona bedeutete Pgal, es ihm nachzutun, und dabei stellte sie fest, dass unten noch drei weitere berittene Uvovo warteten, auf
deren perlenverzierten Kutten das kreisförmige Symbol der Uvovo-Krieger dargestellt war.
»… und solchen Phantastereien sollte man mit Vorsicht begegnen. Wir von den Uvovo-Kriegern sehen derlei Dinge nüchterner.« Er zeigte mit seinem Hirtenstab auf die anderen Uvovo. »Ah, das sind meine Weg-Verwandten - wir befanden uns gerade auf dem Rückweg von einer Vudron-Versenkung, als wir Sie bemerkt haben.«
Catriona nickte, ohne ihm auch nur einen Moment zu glauben. »Dann sind Sie also der Ansicht, dass es reine Zeitverschwendung ist, wenn ich dem - wie sagt man noch? - dem Arassu nachjage?«
Dies war die Uvovo-Bezeichnung für »trauriges Gespenst«, und als sie es aussprach, spiegelte sich in den Gesichtern von Weynls Begleitern Überraschung wider. Der Lauscher aber lächelte nur.
»Ganz richtig«, sagte er. »Da Sie nach Sternendach wollen, wäre es uns eine Ehre, wenn wir Sie zurückbegleiten dürften, Frau-Doktor.«
Am liebsten hätte sie den Vorschlag abgelehnt, doch eingedenk der Minikamera in der Schultertasche ging sie bereitwillig darauf ein.
Der Rückweg durch die grünen Schluchten Segranas dehnte sich scheinbar endlos. Während Pgals Trictra sich von Ast zu Ast und von Schlingpflanze zu Baumkreuzung vorarbeitete, ging von dem Gewicht der Minicam eine stete Lockung aus. Lauscher Weynl legte an dem Kreuzungsdorf, an dem sie beim Abstieg vorbeigekommen waren, eine Rast ein. Während der Lauscher jovial mit seinen Wegverwandten plauderte, fragte sich Catriona, ob dies vielleicht ein Beispiel für einen Uvovo-Scherz war.
Als es schließlich heller wurde und sie immer häufiger auf Brücken, Leitern und Plattformsiedlungen stießen,
wusste sie, dass die Stadt Sternendach nicht mehr weit war. Insekten glitzerten in den Sonnenstrahlen, die durchs Blätterdach einfielen, und der kühle, frische Luftzug war beladen mit dem Duft der Tagesblumen.
»Hier trennen sich unsere Wege, Frau-Doktor Catriona«, sagte Lauscher Weynl. »Mein Vudron liegt weiter weg, auf der Hoheliedlichtung. Wenn Sie mehr über die Wurzeln Segranas erfahren wollen, wenden Sie sich bitte an mich oder einen anderen Lauscher.«
»Ich bitte nachträglich um Verzeihung, Lauscher«, sagte sie. »Ich wollte Sie nicht verletzen.«
»Mir ist es eher um Ihre Sicherheit zu tun«, entgegnete Weynl. »In einigen dunklen Winkeln der Tiefe leben Raubtiere, die in der Lage sind, einen Menschen in ein, zwei Bissen zu verschlucken.«
»Ich verstehe Ihre Bedenken, Lauscher«, sagte sie. »Ich versichere Ihnen, dass ich sie beherzigen werde.«
Der Uvovo musterte sie einen Moment mit unverändert freundlichem Lächeln, dann nickte er.
»Suchen Sie mit Bedacht, Doktor«, sagte er und tippte mit dem Hirtenstab auf die gepanzerte Flanke seines Trictras.
Während der Lauscher und dessen Begleiter den Aufstieg über Flechtleitern fortsetzten, bat Catriona Pgal, sich zu beeilen. Der Hirte lenkte den Trictra an Netzen und Blattvorhängen empor bis zu der Hängeplattform in der Nähe der im Eingeborenenstil erbauten Häuser, in denen die Menschenwissenschaftler untergebracht waren. Catriona schnallte sich los, kletterte auf den federnden Boden hinunter, legte die weite Kutte ab und wandte sich Pgal zu, der jedoch als Erster das Wort ergriff.
»Ich dich nicht noch einmal befördern.«
»Warum denn das, Pgal?«,
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