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Die Saat der Finsternis (German Edition)

Die Saat der Finsternis (German Edition)

Titel: Die Saat der Finsternis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Gernt
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ein Raubtier hervorgesprungen kam. Kirian spürte, wie er zitterte, wie ihm am ganzen Körper der Schweiß ausbrach. Obwohl er versuchte, ruhig zu liegen, konnte er es nicht, seine Arme rissen ohne sein Zutun an ihren Fesseln, sein Herz jagte dahin, dass ihm die Brust schmerzte.
    „Ich bin bei dir“, hörte er Lys’ Stimme. Der Mann, den er so sehr liebte, beugte sich über ihn, flüsterte zärtliche Worte in sein Ohr, strich ihm über die Stirn. Es beruhigte Kirian, ihn bei sich zu wissen, er konnte durchatmen und ein wenig Kontrolle über sich selbst zurückgewinnen.
    „Ich wünschte, ich könnte den Platz mit dir tauschen und dir all das hier abnehmen, aber das geht nicht“, wisperte Lys traurig und küsste ihn sanft auf die Lippen. „Du bist stark, Kirian. Ich glaube an dich. Ich liebe dich.“
    „Es ist richtig, was ich tue, nicht wahr?“, erwiderte Kirian. Onjerro hatte gesagt, dass ausschließlich Gewissheit ihn heilen konnte, und er wollte sich so verzweifelt dringend sicher sein, dass er die einzig richtige Wahl getroffen hatte.
    Er konnte es nicht.
    „Es ist deine Entscheidung. Nur du kannst sagen, ob sie für dich richtig ist. Noch kannst du zurück.“ Lys musste gehorchen, als Onjerro und Nayamé ihn fortdrängten.
    Diese Antwort hatte Kirian nicht wirklich geholfen – war es nun richtig?
    Es muss richtig sein!
    „Er wird hier im Raum verbleiben, seid unbesorgt“, versicherte Onjerro ihm mit einem aufmunternden Lächeln. Dann flüsterte er einem Priester zu, offenkundig im Glauben, dass Kirian ihn nicht würde hören können:
    „Achtet auf den Fürsten, unauffällig, mindestens zwei Mann. Sollte er laut protestieren oder versuchen, heranzukommen, schafft ihn raus. Er darf das Ritual auf keinen Fall stören! Ich hege nicht den Wunsch herauszufinden, welche Gerüchte über ihn und seine Fähigkeiten der Wahrheit entsprechen.“
    Seltsamerweise brachte es Kirian zur Ruhe, als er hörte, dass selbst die Priester nicht immer alles so unter Kontrolle hatten, wie sie es sich wohl wünschten.
    Hoffentlich macht Lys keine Dummheiten!, dachte er, und atmete tief durch. Er wusste, solange er still blieb, würde auch Lys friedlich bleiben; das half ihm, sich zusammenzureißen.
    Onjerro, Nayamé und zwei weitere Priester – ein Mann und eine Frau – nahmen um ihn herum Aufstellung. Kirian schloss die Augen, fuhr nur leicht zusammen, als sich kühles Metall auf seine Stirn legte. Es musste das Amulett sein, das er gestern Abend kurz gesehen hatte. Ihm war seltsam zumute, was für einen Trank hatte man ihm da bloß gegeben?
    Monotoner Gesang ertönte, durchbrochen von Gemurmel in einer fremdartigen Sprache. Kirian fühlte sich losgelöst von allen Dingen. Sein Körper kribbelte, ein merkwürdiges Brennen überzog seine Haut, was ihn jedoch nicht weiter störte. Da war ein Summen in seinem Kopf, der ansonsten angenehm leer zu sein schien. Das Amulett auf seiner Stirn verströmte nun Hitze, als würde es sich in seinen Schädel hineinbrennen wollen. Auch das kümmerte ihn nicht wirklich.
    War das eine Hand? Irgendetwas oder -jemand schien gegen seinen Kopf zu drücken. Das wiederum störte Kirian in seinem Trancezustand. Unwillig wollte er sich gegen den Druck wehren, der sich nun steigerte und wie eine Stahlzwinge seinen Kopf zusammenpresste.
    Geh weg!, wollte er rufen und konnte es nicht – kein Laut drang über seine Lippen. Wilde Panik brach über ihn herein, als ihm bewusst wurde, dass er sich nicht bewegen konnte, nicht einmal die Augen öffnen. Der Druck nahm unerbittlich zu, bis Kirian nur noch heiße Glut spürte. Ein fürchterlicher Schrei gellte in seinen Ohren, laut, doch nicht laut genug, um den monotonen Gesang zu übertönen.
    Etwas brach in seinem Inneren. Bilder, Emotionen, Gerüche, Geräusche – eine Sturmflut von Wahrnehmung und Erinnerungen schwemmte sein Bewusstsein fort. Lange trieb er dahin, sein Empfindungsvermögen war ausschließlich auf Schmerz begrenzt. Dann aber fand er Halt, die Flut schwächte ab, der Schmerz verging.
    Stefár. Ich bin Stefár von Lichterfels.
    Das war mein Name, einst ...
    Lamár, der schwarze Söldner.
    Lamár, der Sklave.
    Kirian, der Sheruk.
    Das bin ich.
    Kirian schlug die Augen auf. Er lag noch immer auf dem steinernen Altar festgebunden.
    „Seht mich an und sagt Euren Namen“, verlangte Onjerro.
    „Bindet mich los, Priester“, knurrte Kirian heiser. Er erinnerte sich, oh, er erinnerte sich an zu viele Dinge … an zwei völlig verschiedene

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