Die Saat der Finsternis (German Edition)
Miene bei dem Wort „Väter“ verdüsterte.
Plötzlich fuhren sie beide gleichzeitig zusammen, als sich ein Pferdekopf gegen sie drängte – Lys’ Fuchshengst schnaubte ihnen in die Ohren.
„Er sagt: Los, aufstehen, hier gibt es weder Gras noch Wasser“, übersetzte Lys schmunzelnd.
„Du hast nicht richtig hingehört, der Satz ging noch weiter“, widersprach Kirian gewichtig. „Wenn ihr bloß rumhocken wollt, nehmt uns gefälligst die Sättel ab!“
Sie standen auf und klopften dem Hengst begütigend gegen die Flanken, der sich das duldsam schnaubend gefallen ließ. Wann hatten sie das letzte Mal gescherzt, und sei es nur auf solch harmlose Weise?
Schweigend ritten sie weiter, bis sie einen Platz fanden, wo sie die Nacht verbringen konnten; diesmal war es ein friedliches, geselliges Schweigen. Es war noch lange nicht alles gut; doch es gab endlich Hoffnung, dass es vielleicht noch gut werden könnte. Irgendwann. Vielleicht.
*
„Komm her“, bat Kirian leise und streckte die Hand nach Lys aus. Sie hatten Glück gehabt und eine verlassene Holzhütte gefunden, die vermutlich einmal einem Köhler gehört hatte. Auch, wenn das Dach stellenweise löchrig war und sie erst einmal jede Menge Dreck, Unrat und zwei große Uhus hinauskehren mussten, waren sie mehr als dankbar für einen Unterschlupf. Kälte und Nässe hatten sich in den drei Tagen, die sie erst unterwegs waren, bis in ihre Knochen eingenistet. Es war schlicht und ergreifend die falsche Jahreszeit für solche Reisen! Glücklicherweise näherten sie sich jetzt bewohnten Gebieten und würden morgen sicherlich in einer Herberge nächtigen können.
Nach einigen Versuchen hatte Kirian es geschafft, den Kamin zu reinigen und ein Feuer zu entzünden. Mit einem warmen Essen im Bauch war ihnen beiden schon behaglicher zumute. Die klammen Kleidungsstücke hatten sie so gut es ging zum Trocknen ausgebreitet und sich in zwar leicht von Motten angefressene, aber dennoch saubere Decken gehüllt, die sie in einer Truhe gefunden hatten. Kirian erhitzte gerade Wasser in einem großen Kessel, während Lys gegen seine Bartstoppeln kämpfte. Er blickte hoch, als Kirian ihn ansprach, starrte einen Moment lang auf die ihm entgegengestreckte Hand. Überrascht begann er zu lächeln, reichte ihm das Rasiermesser und legte sich ohne zu zögern mit dem Kopf auf Kirians Schoß. Seit Lys einmal mehrere Tage lang bewusstlos gewesen war, übernahm Kirian immer mal wieder gerne das Rasieren für ihn und protestierte auch jedes Mal lautstark, wenn Lys davon sprach, sich einen Bart wachsen lassen zu wollen. Diese Erinnerung war erst gerade eben zurückgekehrt, als er Lys da sitzen gesehen und das so vertraute leise Schimpfen gehört hatte. Es war ein Gefühl inniger Nähe, seinen Liebsten dicht bei sich zu haben und zu wissen, dass er sich gerade vertrauensvoll an ihn auslieferte. Selbst, wenn er ihn nicht verletzen wollte, es konnte beim Rasieren nun einmal versehentlich geschehen. Lys lag dennoch völlig entspannt und mit geschlossenen Augen da und folgte den stummen Weisungen von Kirians Fingern. Er strahlte Ruhe aus, man spürte, wie er diese Zuwendung genoss. Sie schwiegen beide, Worte hätten nur gestört.
Als Kirian fertig war, wollte Lys aufstehen, doch rasch legte er ihm eine Hand auf die Brust und hielt ihn zurück, während er selbst aufstand.
„Bleib bitte noch liegen!“
Lys runzelte die Stirn, fragte aber nicht, sondern gehorchte willig. Kirian hob ächzend den Kessel vom Haken, an dem er über dem Feuer gehangen hatte. Das Wasser darin war mittlerweile angenehm warm. Dann kniete er nieder und zupfte an der Decke, in die Lys sich nackt eingehüllt hatte. In der Hand hielt er ein Stück Stoff, das er ins Wasser tauchte.
„Ich kann mich allein waschen“, protestierte Lys, doch seine Mundwinkel zucken verräterisch.
„Weiß ich. Ich möchte es trotzdem.“ Er bemerkte die Furcht, die für einen Moment in Lys’ Gesicht blitzte, als er die Decke zur Seite schlug, seine eigene abnahm und ihm über die Beine legte. Es schmerzte, diese Angst zu sehen, aber es war wichtig.
„Sag es mir“, bat er, während er ihm mit behutsamen, langsamen Bewegungen Gesicht und Hals wusch, um die vom Rasieren wunde Haut nicht zu reizen. „Sag mir, was man dir angetan hat.“
Erschrocken fuhr Lys hoch, blickte ihn mit weit aufgerissenen Augen verzweifelt von unten herauf an und wollte vor ihm zurückweichen. Kirian war von der Heftigkeit der Abwehr überrascht, schaffte es
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