Die Saat der Finsternis (German Edition)
ranghöchsten Adligen, und dem Adel muss man gehorchen. Also gehorcht man ihnen.“ Er trat zurück, als der Turm wieder in die Höhe ragte, und nickte den Kindern zu. Lynn kreischte vor Lachen, als alles krachend zu Boden fiel.
„Gegen diese Allianz zu kämpfen ist, als wollte man drei Berggipfel zugleich erstürmen. Es ist vollkommen unmöglich, ich müsste mir den gesamten Restadel untertan machen und hätte vermutlich immer noch nicht genug Kraft zu gewinnen, ohne einen Krieg zu führen. Ihre Macht beruht auf der Stärke all derer, die an sie glauben. Auf viele kleine Steinchen, die übereinander gefügt sind. Will ich ihre Macht brechen, muss ich ein Steinchen nach dem anderen abtragen. Oder einen Punkt finden, an dem das gesamte Gefüge mit einem Schlag umstürzt.“
„Wie willst du diesen Glauben zerstören, Lys?“, fragte Kirian. „Wie willst du einfache Soldaten überzeugen, ihrem König oder ihren Fürsten nicht länger zu dienen? Wie willst du den niederen Adel auf deine Seite ziehen, damit sie ihre Truppen nicht mehr ihren Lehnsherren zur Verfügung stellen?“
„Das muss ich nicht. Sieh her.“ Alle schauten zu, als er ein einzelnes Holzstück über zwei Steine legte.
„Maruv stützt sich auf Corlin und Lichterfels. Nehme ich ihm einen von beiden fort, wird er fallen.“ Er zog einen Stein weg, sodass das Holzstück kippte.
„Du willst meinen Vater auf deine Seite ziehen?“, fragte Kirian skeptisch.
„Er ist der Einzige, der mich nicht hasst und nie wirklich gegen mich gestanden hat. Es hat ihm nicht gefallen, dass er mich nicht manipulieren konnte, er hält mich für größenwahnsinnig und machtbesessen, aber er hat alle Intrigen gegen mich nur unterstützt, um Lichterfels zu schützen.“
„Wie willst du ihn dazu bringen, dir zu vertrauen?“
„Ich weiß es nicht.“ Lys strich liebevoll über die Köpfe der beiden Kinder und kehrte zurück zu den anderen. „Ich vertraue nicht einmal mir selbst“, wisperte er so leise, dass ausschließlich Kirian ihn hören konnte. Laut fuhr er fort: „Ich weiß bloß, es ist der einzige Weg. Wenn ihr mir folgen wollt, kann ich vielleicht zu einer Macht anwachsen, die alle anderen überragt. Euer Glaube ist meine einzige Waffe. Euer Zweifel ist unser aller Untergang.“
Er glaubte nicht an die Worte, die er nur sprach, um die anderen zu blenden. Sinnloses Gerede eines Schiffsführers, der seine Mannschaft daran hindern wollte, rechtzeitig vor dem nahenden Sturm von Bord zu gehen.
Obwohl es möglicherweise gelingen könnte …
Elyne stellte sich vor ihm auf, das Gesicht eine Maske, hinter der alle Gefühle und Gedanken verborgen blieben.
„Ich glaube an Euch. Ihr seid der Einzige, der so etwas vollbringen kann.“ Zorn blitzte in ihren Augen auf, als sie ihm zuflüsterte: „Solltest du versagen, reiße ich dich eigenhändig in Stücke. Das hier ist und bleibt dein Spiel , also spiele es bis zum Ende!“
Seufzend blickte Lys ihr nach, als sie sich majestätisch von der Gruppe entfernte. Niemand sonst sprach es laut aus, doch er spürte, sie glaubten alle an ihn. Vertrauten darauf, dass er diesem Weg folgen konnte. Er ließ sich von Kirian in eine feste Umarmung ziehen, froh, seine eigenen Zweifel vor der Welt verstecken zu können.
„Ich bin bei dir, Lys. Ich werde es immer sein, solange ich lebe. Egal, wie das hier enden wird.“
Er nickte stumm. Dunkelheit überschattete seinen Geist, und nur für Kirian kämpfte er, einen letzten Lichtfunken zu erhalten.
Es könnte gelingen. Wenn die Götter mir beistehen … Aber warum sollen sie das tun?
18.
Es dämmerte, als Kirian die Augen aufschlug. Er brauchte einen langen Moment, bis er sich erinnerte, wo er war: in einer Hütte irgendwo im Nichts von Urrat. Sie hatten anscheinend den halben Tag verschlafen, erkannte er mit einem Blick durch einen Spalt in den Fensterläden. Draußen im Lager herrschte noch reges Treiben, wahrscheinlich würde man sich bald zum Nachtmahl zusammensetzen. Er überlegte kurz, ob er Lys wecken sollte, damit sie daran teilnehmen konnten, entschied sich aber dagegen. Es wäre wichtig für den Zusammenhalt mit den Leuten, doch er wollte Lys nicht drängen. Er kannte die Dunkelheit, die er in seinen Augen gesehen hatte, kannte sie nur zu gut. Wenn er wüsste, wie er ihn davon befreien könnte! Sie hatten so erbärmlich wenig Zeit, um noch handeln zu können, und Lys war der Einzige in diesem Spiel, der von niemandem ersetzt werden konnte.
Lys begann sich zu
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