Die Saat der Finsternis (German Edition)
einem Leben gezwungen zu werden, dass ihnen wenig Freiheit, Vergnügen oder Sicherheit garantierte, dafür aber Mühsal bedeutete? Sie hatten erlebt, dass selbst Kirian in die Knie gezwungen werden konnte, wie wenig notwendig war, um ihn, Lys, zu entmachten. Wenn einer von ihnen in die falschen Hände fiel, so wie Onkar, der mittlerweile von Albor beiseite genommen worden war, würde er ebenso unter der Folter zusammenbrechen. Wem konnte er denn noch vertrauen? Nicht einmal sich selbst!
Das Spiel ist verloren. Schick sie nach Hause, liefere dich aus. Vielleicht kannst du sie so noch retten, dachte er, während rabenschwarze Finsternis ihn zu verschlingen begann.
„Herr?“ Lark berührte ihn an der Schulter.
Lys sah zu ihm auf, der Blick des Priesters verriet, dass nun noch ein weiterer Schlag auf ihn wartete.
„Auf dem Weg hierher hatten wir in einem Tempel haltgemacht, als eine Brieftaube von unseren Geschwistern in Purna ankam. Euer Brief hat den König erreicht. Maruv weiß, dass er Euch nicht offiziell angreifen kann, heute genauso wenig wie vor vier Monaten. Die Besetzung der Weidenburg, auch wenn er sie als Sicherheitsmaßnahme vor dem Adel vertreten hat, um Angriffe von anderer Seite zu verhindern, wurde vom Kronrat der Fürsten sehr missgünstig aufgenommen. Schließlichverfügt Weidenburg über keinen unabhängigen Herrschaftstitel, darum kann Maruv sie eigentlich nicht besetzen – Weidenburg gehört immer noch gleichermaßen zu Purna, Lichterfels und Corlin.“
„Was plant Maruv?“ Lys fuhr leicht zusammen, als Kirian ihn von hinten umarmte, lehnte sich dann aber dankbar an. Er wusste, er würde den Halt brauchen.
„Er will Eure Liebe zu dem Geächteten Stefár von Lichterfels öffentlich machen – ohne zu sagen, dass hinter diesem Namen auch der Sheruk Kirian steckt, denn das würde zu viele Zweifel aufwerfen. Viele mutmaßen längst, dass Euer Gefährte Lamár, der Söldner, für Euch mehr ist, als bloß ein Freund, ahnten nur nicht, wer er sein könnte. Maruv hat noch nicht entschieden, ob er Euch wegen Hochverrat anklagen und hinrichten lassen oder verbannen will. Letzteres ist wohl wahrscheinlicher, es würde den Frieden eher garantieren und Eure Verbündeten stillhalten lassen. Fürst Erebos, Euer Vater, unterstützt ihn aus vollem Herzen, jetzt, wo er weiß, dass Ihr für den Tod Eures Bruders verantwortlich seid. Fürst Lichterfels hält zu ihm, weil er glaubt, seine beiden Kinder verloren zu haben. Man geht davon aus, dass er verzweifelt nach einem Heiratskandidaten für Robans Witwe sucht, deren Sohn Thronfolger wird, sobald Maruv und die alten Fürsten tot sind.“
Lys taumelte wie unter einem Schlag. Er wäre gestürzt, hätte Kirian ihn nicht aufgefangen. Alle starrten ihn an, er spürte ihre Verzweiflung. Wenn er jetzt aufgab, waren sie alle verloren!
„Was soll ich bloß tun?“, fragte er heiser, klammerte sich dabei Halt suchend an Kirian fest. „Mein Vater hat sich offen gegen mich gestellt. Diese Allianz kann ich nicht besiegen oder hintergehen! Wenn ich nicht handle, erklärt man mich für vogelfrei und alles ist verloren. Sobald ich mich Maruv ergebe, werde ich als Hochverräter hingerichtet oder verbannt. Vorher aber wird man mich foltern, bis ich preisgebe, wer mir alles zur Seite gestanden hat. Bis ich dich und meinen eigenen Sohn verrate und jeden, der mir jemals einen Becher Wasser geboten hat.“ Mit jedem Wort sprach er lauter. Von Wut und Verbitterung getrieben riss er sich von Kirian los und begann, ruhelos auf- und abzulaufen. „Falls ich meinen Anspruch auf den Thron offiziell niederlege, kann ich möglicherweise aushandeln, dass man weder mich noch meine Familie und Getreuen länger verfolgt. Aber das würde jeden von euch – auch dich, Elyne! – zu einem Leben als Geächtete verdammen. Du hättest mit einem Schlag eine ausgesprochen große Räubertruppe zu befehligen, Kirian!“ Er schnaubte verächtlich, dann sank er zu Boden und barg das Gesicht in beiden Händen. „Wenn ich jeden Mann in Onur sammle, der bereit ist, für mich zu kämpfen, wird es wohl zumindest eine Niederlage, die Maruv amüsieren könnte. Oder wie wäre es damit: Ich fordere den König zum Duell! Wenn ich ihn töte, bin ich ein Königsmörder und werde hingerichtet. Wenn ich ihn besiege, bin ich ein Hochverräter und werde ebenfalls hingerichtet. Wenn ich mich besiegen lasse, hab ich’s ganz schnell hinter mir.“
Einige fiebrige Herzschläge lang herrschte vollkommenes
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