Die Saat Der Makellosen
unter, um das gemeinsame Werk zu begutachten. Sie trug schwarze Jeans, die sie bis zu den Knien hochgekrempelt hatte, pinkfarbene Flipflops und ein ebenso pinkfarbenes T-Shirt mit wildem Rock’n Roll-Print einer englischen Band. Die blonden, schulterlangen Locken glänzten im Licht der Mittagssonne. Sie hatte gerade erst die Tönung aufgefrischt.
„Okay, nein. Das mit den Vorhängen hatten wir schon. Es ist jetzt schon perfekt. Zufrieden?“
Rebeka gab ihrer Schwester einen kleinen Kuss auf die Wange, um die Diskussion um die Wichtigkeit von Einrichtung der Detektei und die der Wohnung, in der ihre Meinungen ausnahmsweise vollkommen auseinander gingen, im Keim zu ersticken. Darüber konnten sie ein anderes Mal sprechen. Es war wirklich nicht wichtig.
„Wir haben ganze Arbeit geleistet. Es sieht super aus!“
Überschwänglich ausgedrückte Begeisterung half Bekky über gewisse Unsicherheiten hinweg, die sie nicht nach außen hin transportieren mochte, um ihre Schwester nicht ebenfalls zu verunsichern oder schlimmer noch, zu beunruhigen. Manchmal fragte sie sich, ob dieser Plan, den sie geschmiedet hatten, oder besser Romy geschmiedet hatte, wirklich klappen würde. Ob es nicht besser gewesen wäre, in Raleigh zu bleiben, wo sie doch schon in der Polizeischule versagt hatte.
Mit ihr stimmte etwas nicht… Es war das Gefühl einer heißen Nadel in ihrem Gehirn, das sich jedes Mal einstellte, wenn so etwas Sonderbares geschah, wie neulich oder damals auf der Polizeischule. Gegenstände bewegten sich, wenn sie auch nur den leisesten Gedanken daran verschwendete, ja nicht einmal wirklich daran dachte. Bilder an der Wand rückten von selbst gerade, wenn sie per Hand nicht so halten wollten, wie sie sollten. Kugelschreiber schwebten durch die Luft auf sie zu, wenn sie gerade was zum Schreiben brauchte, selbst aber keinen Stift dabei hatte. Und das Schlimmste von allem war diese Kugel gewesen, die einfach so aus der Waffe gekommen war, obwohl Kadett Kiss nicht einmal den Finger am Abzug gehabt hatte.
Aber das war über drei Jahre her und es war nicht mehr wichtig. Zu den Akten gelegt. Viel wichtiger war das unverhoffte Wiederfinden ihrer Schwester gewesen. Und jetzt standen sie hier. Zusammen auf einem New Yorker Bürgersteig und begutachteten ihr gemeinsames Werk von außen. Die eigene Detektei mit ihrem Namen auf dem Schild. Das war absolut klasse. Schön, sie hatte nur geholfen, die Räume bewohnbar zu machen. Das Finanzielle hatte weitgehend Romy geregelt. Ihr eigenes Erspartes war ziemlich schnell erschöpft gewesen. Sie brauchte unbedingt einen Job, aber die guten waren selbst in einer Stadt wie New York spärlich gesät, wenn man nicht gerade als Stripperin, Prostituierte oder Drogenkurier arbeiten wollte. Vielleicht sollte sie doch als Tellerwäscherin in diesem schicken Restaurant anfangen, in dem sogar Aushilfen Uniformen trugen.
Beide Schwestern hofften natürlich darauf, dass das Geschäft bald richtig gut anlaufen würde. Das würde es. Ganz bestimmt und solange sie noch keine konkreten Aufträge hatten, würden sie nebenher eben jobben und Toastbrot essen. Wenigstens konnte man sich auf Prues Pakete verlassen, in denen sie den Schwestern jede Woche selbstgebackenen Kuchen, Pasteten, Marmeladen und Chutneys zuschickte, die Bekky zeit ihres Lebens ständig gegessen hatte und nun fast nicht mehr sehen konnte, weil ihr die Zusammenstellung aus den Ohren wieder rauskam. Hin und wieder war Prue allerdings für Überraschungen gut. Diesmal waren Schokoladenbrownies im Paket gewesen. Damit würde sie jetzt ihre Schwester überraschen. Der Kaffee, den sie vorhin während einer kurzen Pause oben in der Wohnung angestellt hatte, war sicher auch schon durchgelaufen. Romy verdiente etwas Besonderes. Sie hatte sich so viel Mühe mit allem und vor allem mit ihr gegeben, dass Bekky gar nicht wusste, wie sie sich revanchieren sollte.
Sie waren zwar nur Halbschwestern, aber immerhin. Für Bekky war es schon unglaublich, sie überhaupt wieder gefunden zu haben. Sie wusste von dem Brand, in dem ihre leibliche Mutter umgekommen war, konnte sich selbst aber nicht mehr an jene Nacht im Jahr 1985 erinnern. Und auch nicht daran, wie es gewesen war, von ihrer vier Jahre älteren Schwester getrennt worden zu sein. Sie war mit zwei Jahren einfach noch zu klein gewesen. Sollte es sie damals, und das hatte es ganz sicher, schockiert und verstört haben, so hatte die Zeit bei ihr, Gott sei Dank, alle Wunden geheilt. Martin und
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