Die Saat Der Makellosen
wissen, wenn er da ist.“
Nathan war im Begriff, Rys die Tür vor der Nase zuzuschlagen, riss sich aber am Riemen, da man das Türenknallen von ihm genauso wenig gewohnt war wie laute Worte, doch Chryses stellte den Fuß dazwischen.
„Nathan...“ Er machte eine bedeutungsvolle Pause und atmete noch einmal den schweren Vanilleduft ein, der in einer weiteren unsichtbaren Wolke vom Bad unter die Türritzen hindurch zu ihnen waberte. Dabei dachte er unweigerlich an Romy. Und damit auch an ihr ungehobeltes Verhalten. Noch so eine Zicke in ihrem Umkreis würden sie nicht brauchen können und der gute Priester am allerwenigsten.
„...sei vorsichtig.“
Die Reaktion auf den gut gemeinten Ratschlag hätte auch von Peachgirl persönlich sein können.
"Denk lieber an die Computer für die Kinder, Chryses."
Nathan lächelte kühl und sagte ihm höflich auf Wiedersehen. Sie beide wussten, dass das der dämlichste Tipp auf Erden gewesen war. Nathan war einer der mächtigsten Krieger in ihrer Reihe. Ein kleines Mädchen würde ihn garantiert nicht aus der Fassung bringen. Nicht einmal mit diesem absolut himmlischen Duft, den sie verströmte.
Nathan schloss die Tür, lehnte sich einen Moment schwer dagegen und lauschte, wie sich Rys’ schwere Schritte Richtung Fahrstuhl entfernten. Der war also abgewimmelt. Hoffentlich würde keiner der anderen Brüder hier auftauchen und wollte Catalina kennen lernen, nachdem es in ihren Öhrchen geklingelt hatte.
° ° °
Als Nathan Cat allein ließ, damit sie sich frisch machen konnte, schenkte sie seinem breiten Rücken einen sehnsüchtigen Blick. Wären sie doch nur jemand ganz anderes! Er sollte sie wirklich bald irgendwo hin bringen, wo sie ihn nicht mehr sehen musste. Sie konnte ja kaum an sich halten, wenn sie in seiner Nähe weilte und dabei kannte sie ihn gerade mal zwei Stunden! Es war beängstigend, sich so sehr von einem Menschen angezogen zu fühlen, den sie eigentlich hätte meiden sollen.
Das Bad fühlte sich himmlisch an, auch wenn der Schnitt unter Wasser brannte. Das Blubbern entschädigte sie dafür. Sie hatte ihr Nähbesteck mit nach oben gebracht, damit sie die Wunde nach dem Bad versorgen konnte. Später (sie hatte sich wirklich zu lange in der Wanne aufgehalten) besah sie sich ihren Körper im Spiegel, den Nathan vorhin verschmäht hatte. Sie konnte ihn gut verstehen. Selbst für einen sterblichen Mann wäre der Anblick sicher zu viel. Solange sie ihren Körper unter Kleidung verbarg, war sie recht ansehnlich, aber so… Cat zuckte mit den Schultern, das war kein Problem, das sie noch lange kümmern würde.
In ein Handtuch gehüllt setzte sie sich auf den Rand der Wanne und nähte die Wunde ohne Betäubung, weil das eine gute Übung war, den Schmerz auszublenden. So hatte sie es schon immer gehalten. Sie hatte irgendwo ein Stück Leder, in das sie hinein biss, wenn es zu schlimm wurde. Sie musste das aushalten können, weil ihre Gegner viel stärker als sie waren und Verletzungen an der Tagesordnung standen. So hatte man ihr das als Kind beigebracht. Und sie hatte gelernt, wie erlösend eine Ohnmacht sein konnte, die jedoch immer später kamen, je mehr man einstecken konnte… Es war erstaunlich, was ein Mensch alles aushalten konnte, wenn er einen starken Willen besaß.
Cat erschrak etwas, als eine Frau plötzlich im Raum stand, die anscheinend angeklopft hatte, aber da sie gerade den letzten Stich setzte, hatte sie sie nicht gehört. Sie teilte ihr mit, dass im Gästezimmer Sachen für sie zum Anziehen bereitlägen. Cat blinzelte überrascht, sie hatte doch Nathan mitgeteilt, dass sie eine frische Garnitur zum Wechseln dabei hatte. Die Frau unbestimmbaren Alters nahm ihr den Verband ab, bevor sie in anlegen konnte und legte ihn selbst mit geschickten Fingern an.
„Danke sehr!“, hauchte Cat verlegen, weil sie es ziemlich unpassend fand, sich von Nathans Leuten versorgen zu lassen.
Sie sollte doch eigentlich eine Gefangene sein und in einen Kerker geworfen werden. Sie kam sich vor wie eine Hochstaplerin. Das bist Du doch! Du warst nie etwas anderes! Das hier war aber etwas anderes. Sie machte sich bei Fremden nie Gedanken, wenn sie eine kleine Hypnose-Nummer schob, um es sich ein wenig gut gehen zu lassen, aber hier war jemand beteiligt, den sie nicht beeinflussen konnte und den sie viel zu sehr mochte.
Sie folgte der Frau in das Gästezimmer und suchte das Bett nach Jeans und T-Shirt ab oder nach einem Sportanzug, aber da war nichts zu finden. Wie auch!
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