Die Saat - Ray, F: Saat
Lucien und schiebt die Ärmel seines schwarzen Langarmshirts hoch, »Firmen wie Edenvalley. Die können sich dann dort wieder frei bedienen.«
Camille seufzt. »Ihr wisst doch noch gar nicht, wer zum Noah’s Arch Trust gehört.«
»Du wirst es uns sicher gleich sagen, ma chère!«
»Wenn ihr mich lasst, ja.«
Christian macht eine beschwichtigende Geste, und Camille liest weiter.
»Der Permafrostboden von Ellesmere Island in Kanada verspricht auch bei einem Ausfall der Tiefkühlung höchste Sicherheit. Bis zu tausend Jahre sollen die Samen hier keimfähig überstehen. Am Ende eines hundert Meter langen Tunnels, der ins Gestein getrieben wurde, befinden sich drei Saatgut-Kammern, jede zwanzig Quadratmeter groß und sechs Meter hoch. Gut geschützt vor Bomben, selbst vor Flugzeugabstürzen. Vor unbefugtem Zutritt schützen Betonmauern, Kameraüberwachung, eine luftdichte und gepanzerte Stahlschleuse, eine bewaffnete Sicherheitsmannschaft – und die dort lebenden Eisbären. Selbst wenn durch die globale Erwärmung die Pole weiter schmelzen und der Meeresspiegel dramatisch ansteigt, ist der Bunker sicher: Er liegt 130 Meter über dem derzeitigen Meeresspiegel. Die ersten Lieferungen ausSaatgut-Sammlungen in aller Welt sind bereits eingetroffen: allein siebzigtausend verschiedene Reisarten von den Philippinen, fünfundvierzigtausend Weizensorten und zehntausend Maissorten aus Mexiko, Tausende von Kartoffelarten aus Peru, Tausende von Gerstensorten aus dem Mittleren Osten.
›Es ist völlig richtig, dieses Lager aufzubauen‹, sagt Dr. Lansing, Experte für Kulturpflanzen am Biogenetics-Institut in Genf. ›Wenn die Apokalypse tatsächlich eintrifft, haben wir einen Pool, aus dem die Menschheit wieder schöpfen kann. Außerdem finanzieren viele Staaten ihre Genbanken nur unzureichend. Schlechte Lagerbedingungen vor allem in Asien und Afrika lassen die letzten Proben von derzeit ungenutzten Arten vergammeln. Sie sind unwiederbringlich verloren für Züchter.‹ Auch dieses Risiko lässt sich mit dem gut sechs Millionen Euro teuren Samenlager minimieren. Der Zustand des Saatguts wird regelmäßig überprüft, und die Samenbank wird nach und nach ergänzt. ›Eine der innovativsten und eindrucksvollsten Errungenschaften im Dienst der Menschheit‹, lobt der UN-Generalsekretär.«
Christian wippt in seinem Sessel vor und zurück. »Klingt mal wieder wunderbar und sinnvoll. Aber da wir um die Schlechtigkeit und Habgier der Menschen wissen …«
»… und wir eine Satire-Zeitschrift sind …«, wirft Lucien ein, worauf Christian lächelnd nickt und fortfährt, »… sollten wir mal zwischen den Zeilen lesen. Wer verbirgt sich hinter Noah’s Arch Trust?«
Danach hat sie auch schon gesucht. »Ist gar nicht so einfach … Ich finde kaum was, warte mal, hier. Das ist aber auch die erste Meldung. Kennt ihr einen Hal Upright, Professor für Soziologie an der Uni in Washington D.C.?«
»Nein«, sagt Christan, und auch Lucien schüttelt den Kopf.
»Egal, er schreibt hier, warte mal, das ist ja ein ellenlanger Artikel, hier, der NAT, also der Noah’s Arch Trust, besteht aus folgenden Mitgliedern.« Camille holt Luft. »Edenvalley,Agrarkonzern.« Sie sieht in Christians schmunzelndes Gesicht. »Eastman Black Defense Inc., Rüstungsfirma, Milward-Foundation – das sind die, die The Project in den zwanziger Jahren gegründet haben, Global-Water-Trust, Adana Pharmaceutics und Bob-Redfern-Foundation.«
Lucien pfeift durch die Zähne.
»Bob Redfern ist doch Brainstorm. Der hat da auch seine Finger im Spiel? Ein Computerunternehmen?«, fragt Christian.
»Nicht nur Computer«, fügt Lucien hinzu, »Software, die Suchmaschine Brain gehört ihm, außerdem mehrere Museen und eine Fernsehanstalt. Auch der Nachrichtensender RED Europe mit Sitz in Brüssel, soweit ich weiß. Und das ist sicher noch nicht alles.«
Christian ist aufgestanden und lehnt mit dem Rücken am Fenster. »Wozu das alles? Es gibt doch über tausend Saatgutbanken. Und: Warum sitzt in diesem Trust kein Afrikaner, kein Asiate, kein Europäer? Warum machen das große amerikanische Konzerne unter sich aus? Ich wette, die haben auch die bewaffnete Sicherheitsfirma unter ihrer Kontrolle.«
»Véronique Regnard hat von Weltbeherrschung gesprochen …«, grübelt Camille.
»Weltbeherrschung …« Lucien schüttelt den Kopf. »Hört sich exakt nach den Durchgeknallten an, die glauben, hinter jeder Bierwerbung würde eine Verschwörung stecken, allerdings
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