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Die Saat - Ray, F: Saat

Die Saat - Ray, F: Saat

Titel: Die Saat - Ray, F: Saat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fran Ray
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    Unten auf der Straße läuft er in einen torkelnden Säufer.
    »Pass doch auf!«, fährt Ethan ihn an.
    »Pass selber auf!«, brummt der andere und will weiter.
    Doch da reißt Ethan ihn an der Schulter herum, zerrt ihn am Mantelkragen zu sich heran, sodass er die Alkoholfahne riechen kann. Der Mann macht ihn aggressiv, löst etwas in ihm, macht ihn rasend …
    »Halt die Schnauze!«, zischt Ethan, schüttelt ihn, will ihm rechts und links eine ins Gesicht schlagen, will ihn in den Magen boxen, und wenn er dann vor Ethan zusammensackt, will er ihm einen harten Handkantenschlag auf den Nacken verpassen und ihm das Knie in den Unterleib rammen … Ethans Hände sind noch immer in den Mantelkragen gekrallt, als gehörten sie ihm nicht mehr. Da spürt Ethan einen feuchten Klumpen im Gesicht. Der Typ hat mich angespuckt!
    »Verpiss dich!«, brüllt Ethan und stößt ihn weg, sodass er taumelnd gegen die Hausmauer fällt.
    Hinter der nächsten Straßenecke schlägt er seinen Kopf gegen die Wand, immer wieder. Dann fängt er an zu heulen. Sein Leben stürzt zusammen, er hat es verschuldet. Er war nicht fähig, mit Sylvie zu reden, er hat alles viel zu selbstverständlich genommen, die Liebe, das Glück, einen Menschen gefunden zu haben, dem er sich nah fühlt, mit dem er alles teilen kann … Und Sylvie? Hat sie das Vertrauen in ihn verloren, war es denn am Anfang da? Der raue Putz der Hauswand schürft seine Stirn auf, sie brennt, sie schmerzt, doch er hört nicht auf, wozu hat er sich nur hinreißen lassen?
    Ganz unten. Er ist ganz unten angekommen. Auf dem Grund des Abgrunds.
15
    Irène Lejeune fährt gedankenverloren durch die verregnete Dunkelheit nach Hause, steuert den Wagen mechanisch durch den abendlichen Verkehr. Ihr Leben macht ihr keine Freude mehr. Sie kann sich kaum noch an Schönes erinnern. Immer nur Job, schlafen, organisieren – und Schuldgefühle haben. Wenn sie jetzt nach Hause in die Rue d’Alésia kommt, schlafen die Kinder schon in ihrem winzigen Zimmer, können ihr nichts mehr von ihrem Ausflug erzählen, auch Roland liegt schon im Bett, im genauso winzigen Schlafzimmer. In der Woche ist er schon auf der Arbeit. Morgen geht es genauso weiter.
    Es war ganz anders geplant. Roland verdiente ziemlich gut bei der Bank. Sie wollte ihren Job nicht aufgeben, Roland verstand das. Ein Au-pair-Mädchen bezog ein Zimmer in ihrer großen Wohnung.
    Alles bestens, bis Paul – dieser Idiot – aufflog, weil er Geld von Kunden auf Konten von Scheinfirmen umgeleitet hatte, Scheinfirmen, die ihm gehörten. Immer und immer wieder geht ihr das durch den Kopf, hat sich festgesetzt in den Gehirnwindungen, für ewig. Und Roland wurde mit gefeuert, dabei wusste er nichts von alldem. Man erfand einen Kündigungsgrund. Roland hatte genug von seinem Beruf. Wollte etwas anderes machen. Fand nichts. Weil es zu viele gibt, die etwas anderes suchen. Wurde Wachmann. Absurd. Ein Mann mit solchen Fähigkeiten und so viel Wissen. Aber die Gesellschaft geht verschwenderisch um mit menschlichen Ressourcen.
    Die Stelle bei der DGSE, Direction Générale de la Sécurité Extérieure, dem Auslandsnachrichten- oder auch Geheimdienst, könnte ihr Leben von Grund auf verändern. Besseres Gehalt, Aufgabenbereich nationale Sicherheit. Wenn Rolandnicht fähig ist aufzusteigen, dann doch wenigstens sie, oder? Die wichtigsten Dinge geschehen im Verborgenen, das hat sie begriffen. Das Offensichtliche ist nur Ablenkung. Roland hat sie nichts von der Bewerbung gesagt, falls sie eine Absage bekommt. Die Hoffnung hält sie aufrecht, gibt ihr die Kraft für den nächsten Tag, hilft ihr, den Alltag zu überleben.
    Jetzt also dieser Fall: Professor Frost. Der Rattenkopf. Wer tut so etwas? Was soll damit bezweckt werden? Soll die Diskussion um die Gentechnik angeheizt werden? Doch mit solchen Mitteln? Das wäre geradezu pervers. Oder hat jemand eine persönliche Rechnung zu begleichen? Der menschliche Hass kann unermesslich sein … Schlafen wird sie auch nicht können. Am Boulevard Arago muss sie bremsen. Sie schaltet den Scheibenwischer herunter. Nicolas. Sie sollten ihm morgen unbedingt einen Besuch abstatten. Er ist in Gefahr, sagt ihr ein unangenehmes Gefühl.
16 Montag, 24. März
Hamburg
    Als Andreas Schomerus aufwacht und die Augen öffnet, quälen ihn noch immer teuflische Kopfschmerzen, schon seit vorgestern, und die nackte Frau auf dem Airbrush, die er Sue getauft hat, verschwimmt auf dem Sattel der Harley zu einem fleischfarbenen Klecks

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