Die Saat
unübersehbar. »Ich kann Ihre Fragen beantworten. Allerdings haben wir viel Zeit verloren. Wir müssen sofort anfangen. Falls wir überhaupt noch eine Chance haben, es aufzuhalten.«
»Genau davon rede ich doch.« Eph ballte die Hand zur Faust. »Was genau ist
es?«
»Die Passagiere aus dem Flugzeug. Die Toten. Sie sind erwacht.«
Eph wusste nicht, was er darauf erwidern sollte. Konnte man darauf überhaupt
irgendetwas
erwidern?
Setrakian räusperte sich. »Es gibt sehr viele Dinge, Dr. Goodweather, die Sie jetzt über Bord werfen müssen. Ich bin mir durchaus bewusst, welches Risiko Sie eingehen, wenn Sie den Worten eines wildfremden alten Spinners Vertrauen schenken. Aber in gewisser Hinsicht gehe ich ein tausendfach höheres Risiko ein, wenn ich Ihnen diese Verantwortung aufbürde. Denn wir sprechen hier von nichts Geringerem als dem Schicksal der Menschheit. Sie denken, Sie gewinnen mich für Ihre Sache. In Wahrheit jedoch gewinne ich Sie für meine.«
Der Alte Professor
Knickerbocker Loans and Curios,
I 18th Street, Spanish Hadern
Eph legte das Schild mit der Aufschrift EILIGE BLUTKONSERVEN! hinter die Windschutzscheibe und parkte in einer Ladezone an der East I 19th Street. Dann folgte er Setrakian und Nora einen Block in südlicher Richtung, bis sie die Pfandleihe an der Ecke erreichten. Die Türen waren mit Gittern verriegelt, die Fenster mit Metallplatten verbarrikadiert. Obwohl an der Eingangstür GESCHLOSSEN stand, wartete ein Mann in abgerissener Cabanjacke und mit Rastafari-Mütze vor dem Laden. Er hatte einen Schuhkarton in der Hand und trat von einem Bein aufs andere.
Setrakian zog einen Schlüsselbund heraus und fuhrwerkte damit an den zahlreichen Schlössern herum, die am Gitter verteilt waren. Seine knotigen Finger waren erstaunlich flink. »Heute ist geschlossen«, sagte er mit einem kurzen Seitenblick auf die Schachtel des Mannes.
»Sehen Sie doch mal.« Der Mann nahm ein Leinenbündel aus dem Schuhkarton, faltete es auseinander und brachte neun oder zehn glänzende Objekte zum Vorschein. »Gutes Silberzeug. Sie kaufen doch Silber, das weiß ich.«
»Ja, stimmt.« Setrakian lehnte den Knauf seines langen Gehstocks gegen die Schulter und griff nach einem der silbernen Messer, wog es in der Hand, rieb mit den Fingern über die Klinge. Nachdem er die Taschen seiner Weste abgeklopft hatte, wandte er sich an Eph. »Haben Sie mal zehn Dollar zur Hand, Doktor?«
Ungeduldig griff Eph nach seinem Geldclip, schälte einen Zehndollarschein ab und reichte ihn dem Mann mit dem Schuhkarton.
»Den Rest können Sie wieder mitnehmen«, sagte Setrakian dann. »Kein echtes Silber.«
Der Mann packte seine Sachen ein und verbeugte sich leicht. »Danke. Gott segne Sie.«
»Das wird sich herausstellen«, erwiderte Setrakian und betrat den Laden.
Eph sah zu, wie sein Geld die Straße hinunterlief und verschwand, dann folgte er dem alten Mann.
Als sie im Laden standen, zog Setrakian das Gitter wieder herunter und schloss ab. »Die Lichtschalter sind direkt dort drüben an der Wand«, sagte er.
Nora legte alle drei Schalter gleichzeitig um, und der Eingangs bereich wurde samt Glasschränken und Wandvitrinen in helles Licht getaucht. Sie sahen sich um.
Knickerbocker Loans and Curios
war ein kleiner, keilförmiger Eckladen, der wie mit dem Holzhammer in den Häuserblock getrieben zu sein schien, und das erste Wort, das Eph in den Sinn kam, war »Plunder«. Er stand inmitten von Plunder. Hier türmten sich fast schon antike Stereoanlagen, Videorekorder und andere völlig veraltete Elektrogeräte; Musikinstrumente, darunter ein Banjo und ein einer Gitarre ähnelndes Umhängekeyboard aus den 8oern; sakrale Statuen und Sammelteller; Plattenspieler und kleine Mischpulte; eine Glasvitrine mit Broschen und anderem glitzernden Billigschmuck; Kleiderständer, an denen vor allem Pelzmäntel hingen ...
Hatte Eph seine kostbare Zeit womöglich einem Irren geopfert? »Hören Sie«, sagte er, »wir haben da einen Kollegen, von dem wir vermuten, dass er sich infiziert hat.«
Mit seinem überdimensionierten Gehstock klopfte Setrakian zweimal auf den Boden, ging an Eph vorbei und hob eine mit Scharnieren versehene Klappe in der Ladentheke an. »Lassen Sie uns nach oben gehen.«
Eine schmale Treppe führte in den ersten Stock und in eine Wohnung mit niedrigen Decken und abgewetzten Teppichen. Das Mobiliar sah so aus, als wäre es seit mindestens dreißig Jahren nicht mehr von der Stelle gerückt worden. Vor
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