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Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth

Titel: Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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hinauf zu den Turmzinnen verriet William, dass die Wachen sich nicht mehr um ihn und seinen Begleiter kümmerten, sondern wieder, wie es ihre Aufgabe war, das Vorfeld der Burg beobachteten. William hielt die Ruhe trotz allem für trügerisch und rechnete jederzeit mit einer Attacke. Wenn sich uns hier mitten im Hof einer entgegenstellt, dachte er, dann müssen wir ihn gleichsam vor aller Augen töten. In dem Fall wäre das Spiel so gut wie verloren …
    Sie umrundeten die Küche und gingen auf die zweite Brücke zu. Als sie an der Kapelle vorbeikamen, konnten sie die gedämpften Klänge des Gottesdienstes hören. Dort drinnen sitzt jetzt Graf Bartholomäus, dachte William erregt, und er hat nicht die geringste Ahnung, dass drei Meilen von hier eine feindliche Streitmacht lauert. Er weiß nicht, dass sich vier Angreifer bereits in seine Burg eingeschlichen und den Stall in Brand gesetzt haben … Auch Aliena ist in der Kapelle. Sie kniet vor dem Altar und betet. Bald wird sie vor mir knien … Das Blut pochte in seinen Schläfen, dass ihn schwindelte.
    Sie betraten die zweite Brücke. Der Weg über die erste war der Streitmacht der Hamleighs nach dem Kappen der Trosse kaum noch zu verwehren, doch konnte der Graf sich immer noch in den zweiten Ring der Burganlage flüchten. Gelang es jedoch – und diesen Plan verfolgte William –, die zweite Brücke hochzuziehen, so wäre Bartholomäus der Fluchtweg versperrt. Er wäre dann mehr oder weniger schutzlos den Eroberern ausgeliefert.
    Ein Posten verließ die Wachstube im Torhaus und trat ihnen entgegen. »Ihr seid früh dran«, sagte er.
    »Der Graf hat uns so früh bestellt«, sagte William und ging auf den Posten zu, doch der Wachhabende wich sofort einen Schritt zurück. Sehr viel weiter zurück darf er nicht, dachte William, sonst erreicht er das Ende des Torbogens und kann von oben gesehen werden.
    »Der Graf befindet sich zur Zeit in der Kapelle«, sagte der Wachposten.
    »Dann müssen wir auf ihn warten.« Der Mann musste schnell und geräuschlos beseitigt werden – nur wusste William nicht, wie er nahe genug an ihn herankommen sollte. Er warf Walter einen fragenden Seitenblick zu, doch sein Gefährte stand mit unerschütterlicher Miene neben ihm und schien nicht die geringste Eile zu haben.
    »Im Wohnturm brennt ein Feuer«, sagte der Mann. »Da könnt Ihr Euch aufwärmen.«
    William zögerte. Der Wachposten wurde misstrauisch und fragte leicht gereizt: »Worauf wartet Ihr noch?«
    William suchte verzweifelt nach einer Antwort. Endlich fiel ihm eine Gegenfrage ein: »Können wir hier irgendwo etwas zu essen bekommen?«
    »Ja, aber erst nach dem Gottesdienst. Das Frühstück wird im großen Saal aufgetragen.«
    William bemerkte erst jetzt, dass Walter kaum merklich zur Seite gerückt war. Nur noch ein kleines Stückchen … William machte ein paar Schritte in die entgegengesetzte Richtung, ging an dem Posten vorbei und sagte: »Die Gastfreundschaft eures Grafen ist nicht gerade sehr beeindruckend …« Der Mann drehte sich nach ihm um. »Wir haben einen weiten Weg hinter uns …«, fuhr William fort.
    Da schlug Walter zu.
    Blitzartig sprang er den Wachposten von hinten an und umklammerte mit beiden Armen dessen Schultern. Dann riss er mit der Linken das Kinn des Mannes hoch und schnitt ihm mit dem Messer in seiner Rechten die Kehle durch. Ehe William sich versah, war alles vorbei.
    William seufzte erleichtert auf. Gemeinsam haben wir vor dem Frühstück drei Männer getötet, dachte er und genoss das in ihm aufwallende Gefühl grenzenloser Macht. Nach dem heutigen Tag lacht mich niemand mehr aus!
    Walter schleifte die Leiche in die Wachstube. Das Torhaus hatte denselben Grundplan wie das vorherige. Eine Wendeltreppe führte hinauf zu dem kleinen Raum, in dem sich die Brückenwinde befinden musste.
    Gefolgt von Walter, stürmte William die Stufen empor. Er kannte den Mechanismus der Zugbrücke nicht und hatte bei seinem Besuch am Tag zuvor auch nicht daran gedacht, ihn auszukundschaften. Es wäre ohnehin schwer genug gewesen, einen plausiblen Grund für die Inspektion des Turms zu finden. William rechnete mit einer Radwinde. Als die beiden oben ankamen, fanden sie aber lediglich eine Seiltrommel ohne Winde vor. Die Brücke ließ sich also nur mit Muskelkraft hochziehen. William und Walter warfen sich ins Seil, doch die Brücke quietschte nicht einmal. Diese Aufgabe hätte zehn starke Männer erfordert.
    William brauchte eine Weile, bis er begriff, warum

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