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Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth

Titel: Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Lineal, für rechte Winkel sein Winkeleisen und für Kurven seine Zirkel.
    Er wollte drei Zeichnungen anfertigen: einen Schnitt, um die Bauweise zu erklären; einen Aufriss, um die schönen Proportionen aufzuzeigen; und einen Grundriss zur Erläuterung der Raumaufteilung. Mit dem Schnitt fing er an.
    Er stellte sich die Kathedrale als länglichen Brotlaib vor und schnitt in Gedanken am Westende die Kruste ab. Der Blick ins Innere wurde frei, und Tom begann zu zeichnen.
    Es war ganz einfach. Er zeichnete einen oben abgeflachten Bogengang: Das war, vom Ende aus gesehen, das Schiff. Wie die alte Kirche würde es eine flache Holzdecke haben. Tom hätte natürlich liebend gern ein steinernes Gewölbe errichtet, doch wusste er, dass Philip dazu die Mittel fehlten.
    Über das Schiff zeichnete er ein dreieckiges Dach. Die Breite des Dachs bestimmte die Breite des Gebäudes, war ihrerseits aber abhängig von dem zur Verfügung stehenden Holz. Balken von mehr als fünfunddreißig Fuß Länge waren schwer zu bekommen und unerhört teuer. (Gutes Holz war so wertvoll, dass es in der Regel lange, bevor es die erforderliche Länge erreichte, von seinem Eigentümer geschlagen wurde.) Tom ging davon aus, dass das Schiff seiner Kathedrale wahrscheinlich an die zweiunddreißig Fuß breit sein würde.
    Das Kirchenschiff auf der Skizze war hoch, unmöglich hoch. Aber eine Kathedrale war nun einmal ein aufregendes Gebäude, ehrfurchtgebietend in ihrer Größe, und in ihrer Höhe und Erhabenheit zog sie die Blicke der Betrachter himmelwärts. Ein Grund dafür, dass Kathedralen Besucher von weither anzogen, lag darin, dass sie die größten Bauwerke ihrer Zeit waren. Wer keine Domkirche kannte, hatte gute Aussichten, eines Tages sein Leben zu beenden, ohne je ein Gebäude gesehen zu haben, das die eigene Hütte merklich überragte.
    Pech war nur, dass das Gebäude, das Tom gezeichnet hatte, zum Einsturz verdammt war: Das schwere Dach aus Holz und Blei war zu gewichtig für die Mauern, die sich zuerst nach außen wölben und dann zusammenbrechen würden. Sie bedurften einer Stütze.
    Tom zeichnete daher zwei Bogengänge mit gewölbtem Dach, die gerade halb so hoch waren wie das von ihnen flankierte Kirchenschiff. Es waren die Seitenschiffe. Weil sie auch erheblich schmaler waren als das Hauptschiff, kam auch die Deckenkonstruktion billiger: Man konnte sie mit steinernem Gewölbe versehen. Für beide Seitenschiffe war ein einfaches Pultdach vorgesehen.
    Die Seitenschiffe sorgten für eine gewisse Stütze des Hauptschiffs, mit dem sie durch ihre Gewölbe verbunden waren. Allerdings waren sie nicht hoch genug. Es mussten daher in regelmäßigen Abständen oberhalb der Gewölbe und unterhalb der Dächer zusätzliche Streben eingefügt werden. Tom zeichnete einen Steinbogen, der den oberen Rand der Seitenschiffmauer mit der Wand des Hauptschiffs verband. Als weitere Klammer diente ein massiver, vorspringender Strebepfeiler an der Außenseite der Mauer, gleich unterhalb des Steinbogens, dem Tom, um ihm mehr Gewicht zu verleihen und weil es besser aussah, noch eine Fiale, ein Türmchen, aufsetzte.
    Eine Kirche, die durch ihre Höhe beeindrucken sollte, war ohne Seitenschiffe und stützendes Strebewerk undenkbar. Nur – diesen Sachverhalt auch einem Mönch verständlich zu machen konnte mit Schwierigkeiten verbunden sein. Zur Verdeutlichung hatte Tom die Zeichnung angefertigt.
    Er zeichnete auch die Fundamente, die unterhalb der Wände tief in den Erdboden hineinreichten. Leute, die von seinem Handwerk nichts verstanden, wunderten sich immer darüber, wie tief.
    Es war eine einfache Skizze, mit der ein Baumeister nicht viel hätte anfangen können. Um Prior Philip einen ersten Eindruck zu verschaffen, war sie gerade richtig. Tom wollte Philip so weit bringen, dass er seine Vorschläge begriff und imstande war, sich die fertige Kirche vorzustellen und sich dafür zu begeistern. Leicht war dies gewiss nicht, denn es gehörte eine gewaltige Vorstellungskraft dazu, von ein paar in Mörtel geritzten Strichen auf eine große, fertige Kathedrale zu schließen. Der Prior würde sämtliche Hilfe benötigen, die Tom ihm geben konnte.
    Die Wände, die Tom gezeichnet hatte, wirkten von vorne fest und solide, obwohl sie es in Wirklichkeit nicht waren. Tom zeichnete nun die Seitenansicht der Mittelschiffswand, vom Inneren der Kirche aus gesehen. Sie war auf drei Ebenen unterbrochen: Die untere Hälfte ließ sich kaum als Wand bezeichnen, bestand sie doch nur

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