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Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth

Titel: Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Die Wände barsten, das Dach brach ein, und im Handumdrehen war von der Mühle nichts geblieben als ein Haufen Feuerholz, der eine Leiche unter sich begrub.
    Endlich fühlte William sich wieder einigermaßen wohl.
    Er sah, wie einige Dörfler auf die Trümmer zustürzten und anfingen, fieberhaft darin herumzuwühlen. Falls sie hofften, den Müller lebend zu finden, so stand ihnen eine Enttäuschung bevor. Seine Leiche musste einen grässlichen Anblick bieten. Um so besser!
    Als William sich umsah, bemerkte er das rotwangige Mädchen, das sich, um keine Aufmerksamkeit zu erregen, mit ihrem rotwangigen Kind im Hintergrund hielt. Ihm fiel wieder ein, dass der Mann mit dem schwarzen Bart – wahrscheinlich ihr Vater – eifrig darauf bedacht gewesen war, sie ihm aus den Augen zu schaffen. William beschloss, dieses Rätsel noch zu lösen, bevor er das Dorf wieder verließ. Er sah das Mädchen direkt an und winkte es zu sich herüber. In der Hoffnung, nicht sie sei gemeint, sondern jemand anders, drehte sie sich um. »Du«, sagte William. »Komm her.«
    Der Mann mit dem schwarzen Bart sah sie und knurrte ungehalten.
    »Wer ist dein Mann, Mädchen?«, fragte William.
    Der Vater antwortete: »Sie hat keinen –«
    Aber es war zu spät, denn das Mädchen hatte bereits erwidert: »Edmund.«
    »Du bist also verheiratet. Und wer ist dein Vater?«
    »Ich«, sagte der bärtige Mann. »Theobald.«
    William wandte sich an Arthur. »Ist Theobald ein freier Mann?«
    »Er ist Leibeigener, Herr.«
    »Und wenn die Tochter eines Leibeigenen heiratet, ist es da nicht das Recht des Herrn und Besitzers, sich in ihrer Hochzeitsnacht als Erster an ihr gütlich zu tun?«
    Arthur war entsetzt. »Aber Herr! Dieser barbarische Brauch ist in diesem Teil der Welt seit Menschengedenken nicht mehr ausgeübt worden!«
    »Stimmt«, sagte William. »Der Vater zahlt statt dessen eine Buße. Wie viel hat Theobald bezahlt?«
    »Er hat noch nicht bezahlt, Herr, aber –«
    »Noch nicht bezahlt! Dabei hat sie schon ein feistes, rotbackiges Kind!«
    Theobald ergriff das Wort: »Wir hatten nie das Geld, Herr, und sie war schwanger von Edmund und wollte unbedingt getraut werden; aber jetzt, da die Ernte eingebracht ist, können wir zahlen.«
    William lächelte das Mädchen an. »Lass mich mal dein Kindchen sehen.«
    Sie starrte ihn nur angstvoll an.
    »Komm schon, gib’s mir.«
    So sehr sie ihn auch fürchtete, sie konnte sich nicht dazu durchringen, ihm ihr Kind auszuhändigen. William trat auf sie zu und nahm ihr das Kind behutsam ab. Ihre Augen weiteten sich vor Furcht, aber sie widersetzte sich nicht. Das Kind fing sofort an zu schreien. William hielt es einen Moment lang fest, dann packte er es mit einer Hand bei den Knöcheln und warf es, so hoch er konnte, blitzschnell in die Luft.
    Das Mädchen schrie wie am Spieß und verfolgte das Kind mit den Augen.
    Der Vater stürzte mit ausgestreckten Armen hinzu, um es wieder aufzufangen.
    Noch während das Mädchen nach oben starrte, griff William nach ihrem Kleid und riss es auf. Ihr Leib war rosig und rund.
    Der Vater hatte den Säugling sicher aufgefangen, und das Mädchen wandte sich zur Flucht, doch William fing sie ab und warf sie zu Boden.
    Der Vater reichte das Kind an eine Frau weiter und drehte sich zu William um. »Da ich in der Hochzeitsnacht nicht zu meinem Recht gekommen bin«, verkündete William, »und da auch keine Strafe gezahlt worden ist, nehme ich mir jetzt, was mir zusteht.«
    Der Vater stürzte sich auf ihn.
    William zog sein Schwert.
    Der Vater blieb wie angewurzelt stehen.
    William musterte die junge Frau, die vor ihm auf dem Boden lag und versuchte, ihre Blöße mit den Händen zu bedecken. Ihre Furcht erregte ihn. »Und wenn ich mit ihr fertig bin, können meine Ritter sie haben«, erklärte er mit einem selbstzufriedenen Lächeln.
    +++
    In nur drei Jahren hatte sich Kingsbridge so sehr verändert, dass es kaum wiederzuerkennen war.
    Seit jenem Pfingstsonntag, da Philip mit seinem Heer von freiwilligen Helfern Bischof Waleran Bigod einen Strich durch die Rechnung gemacht hatte, war William nicht mehr hier gewesen. Damals hatte es nicht mehr als vierzig oder fünfzig Häuser gegeben, von denen sich die meisten dicht um das Klostertor drängten und nur einzelne den schlammigen Pfad säumten, der den Hügel hinunter zur Brücke führte. Nun, da William sich durch die wogenden Felder dem Dorf näherte, zählte er mindestens dreimal so viele. Die Häuser wirkten wie braune Fransen an

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