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Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth

Titel: Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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sie wirklich nächstes Jahr heiratet, dachte Philip, dann ist der Bräutigam bislang noch nicht in Sicht. Nicht, dass er an die Voraussagen des Brotes geglaubt hätte! Viel wahrscheinlicher war, dass Aliena als alte Jungfer starb, wenngleich sie, den Gerüchten zufolge, keine Jungfrau mehr war, da William Hamleigh sie, wie es hieß, verführt oder vergewaltigt hatte.
    Aliena gab das Brot an ihren Bruder Richard weiter, aber Philip hörte ihre Frage nicht, denn er dachte noch immer über sie nach. Sowohl er als auch Aliena waren dieses Jahr völlig überraschend auf einem Teil ihrer Wolle sitzengeblieben. Der unverkaufte Rest war kaum der Rede wert – weniger als ein Zehntel von seiner und sogar noch weniger von Alienas Ware –, dennoch machte es ihm zu schaffen. Er hatte sich daraufhin Sorgen gemacht, Aliena könne ihre Abrechnung fürs nächste Jahr rückgängig machen, doch sie hatte zu ihrem Wort gestanden und ihm einhundertsieben Pfund ausbezahlt.
    Philips Ankündigung, dass Kingsbridge im darauffolgenden Jahr eine eigene Wollmesse abhalten würde, hatte auf der Messe zu Shiring hohe Wellen geschlagen. Da die von William Hamleigh erhobenen Pachtgebühren und Standgelder eher Wucherpreisen glichen und Philip gedachte, seine Gebühren weit niedriger anzusetzen, war seine Ankündigung allgemein freudig aufgenommen worden. Graf William hatte bisher noch nicht zu erkennen gegeben, wie er darauf zu reagieren gedachte.
    Im Großen und Ganzen hatte Philip das Gefühl, dass die Zukunft für die Priorei weit rosiger aussah als noch vor sechs Monaten. Er war nicht nur mit den durch die Schließung des Steinbruchs entstandenen Schwierigkeiten fertig geworden, sondern hatte darüber hinaus auch noch Williams Versuch abgewehrt, seinen Markt schließen zu lassen. Mittlerweile herrschte auf den Sonntagsmärkten wieder reges Treiben, und die Einnahmen hielten sich mit den hohen Ausgaben für die Steine aus Marlborough die Waage. Selbst in der Krisenzeit war auf dem Dombauplatz ununterbrochen weitergearbeitet worden. Philips einzige Sorge galt nun Mathilde, die, obwohl sie zweifelsohne das Heft in der Hand hatte, noch immer nicht gekrönt worden war. Ohne diese rechtmäßige Investitur beruhte ihre Herrschaft, wenngleich von den Bischöfen anerkannt, lediglich auf militärischer Stärke. Stephans Gemahlin hielt weiterhin Kent, und die Bürgerschaft von London hatte noch nicht Stellung bezogen. Ein unglücklicher Zufall, eine einzige Entscheidung konnte – ähnlich wie die Schlacht zu Lincoln, die Stephan zu Fall gebracht hatte – zum Sturz Mathildes und zu neuerlich chaotischen Zuständen führen.
    Philip ermahnte sich, nicht allzu schwarz zu sehen. Er ließ seinen Blick über die um den Tisch Versammelten schweifen. Das Spiel war vorbei, der Festschmaus hatte begonnen. Dies waren ehrliche, gutherzige Männer und Frauen, die fleißig arbeiteten und zur Kirche gingen. Gott würde sich ihrer annehmen.
    Es gab Gemüsesuppe, gebackenen, mit Pfeffer und Ingwer gewürzten Fisch, Ente und zum Nachtisch einen Pudding, der mit roten und grünen Streifen dekoriert war. Nach dem Essen trug man die Sitzbänke in die unvollendete Kirche, wo das Schauspiel stattfinden sollte.
    Die Zimmerleute hatten zwei Wandschirme angefertigt, die von den Außenwänden bis zum ersten Pfeiler jedes Bogengangs reichten und so die jeweils erste Nische am Ostende der beiden Seitenschiffe vom Rest der Kirche trennten. Die mitwirkenden Mönche warteten bereits hinter den Schirmen auf ihren Auftritt im Mittelschiff. Ein junger Novize mit engelsgleichen Gesichtszügen, der die Rolle des heiligen Adolphus spielte, lag, in ein Leichentuch gehüllt, auf einem Tisch an der Rückwand des Mittelschiffs, stellte sich tot und verbiss sich nur mühsam das Lachen.
    Ähnlich wie beim Wievielbrot sah Philip auch dem Stück mit gemischten Gefühlen entgegen. Wie leicht konnte es ins Respektlose und Vulgäre abrutschen! Aber Schauspiele waren ungeheuer beliebt; hätte er seine Einwilligung nicht gegeben, wäre sicher ein anderes Stück außerhalb der Kirche aufgeführt worden, bei dem es, in Ermangelung seiner Aufsicht, gewiss derb und zügellos zugegangen wäre. Im Übrigen machte das Spiel den Mönchen beinahe noch mehr Spaß als ihren Zuschauern. Sich zu verkleiden, in eine andere Rolle zu schlüpfen, außer Rand und Band zu geraten, ja sogar gotteslästerlich zu handeln schien ihnen eine gewisse Erleichterung zu verschaffen – vermutlich einen notwendigen Ausgleich

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