Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth
König Stephan kämpfen. Meine Laufbahn als Ritter ist damit am Ende – und ich werde es nie zum Grafen von Shiring bringen.«
Alfred sagte: »Vielleicht heiratet Aliena ja einen reichen Mann.«
Richard lachte höhnisch auf. »Sie hat ihnen samt und sonders einen Korb gegeben.«
»Vielleicht wiederholt einer von ihnen sein Angebot.«
»Ja.« Richards Gesicht verzog sich zu einem grausamen Grinsen. »Wir können ja all ihren zurückgewiesenen Verehrern einen Brief schicken und ihnen mitteilen, dass sie ihr gesamtes Geld verloren hat und nun bereit wäre, sich die Sache noch einmal zu überlegen –«
»Genug«, sagte Alfred und legte seine Hand auf Richards Arm. Richard verstummte. Alfred wandte sich an Aliena. »Erinnert Ihr Euch noch daran, was ich Euch vor einem Jahr während des ersten Gildenessens gesagt habe?«
Aliena verließ vollends der Mut. Es war unglaublich, dass Alfred wieder damit anfangen wollte. Sie hatte einfach nicht die Kraft, sich mit ihm auseinanderzusetzen. »Ich erinnere mich«, erwiderte sie. »Und ich hoffe, dass Ihr Euch an meine Antwort erinnern könnt.«
»Ich liebe Euch nach wie vor«, sagte Alfred.
Richard sah vollkommen verblüfft drein.
Alfred fuhr fort: »Ich möchte Euch immer noch heiraten. Aliena, wollt Ihr meine Frau werden?«
»Nein!«, sagte Aliena. Gerne hätte sie mehr gesagt und die unangenehme Sache ein für alle Mal entschieden, aber sie fühlte sich zu matt und zerschlagen. Ihr Blick flog von Alfred zu Richard und wieder zu Alfred zurück; sie hatte genug. Sie ließ die beiden wortlos stehen, ging schnellen Schritts über die Wiese und über die Brücke in die Stadt. Sie war der ganzen Sache überdrüssig und böse auf Alfred, dass er sein Angebot in Richards Gegenwart wiederholt hatte. Es wäre ihr lieber gewesen, wenn ihr Bruder nichts davon gewusst hätte. Drei Monate waren seit dem Brand vergangen – warum hatte Alfred sich bis jetzt damit Zeit gelassen? Es schien gerade so, als hätte er auf Richard gewartet.
Sie wanderte durch die menschenleeren neuen Straßen. Sämtliche Einwohner befanden sich am anderen Flussufer und kosteten die Brote. Alienas Haus lag in dem neuen Armenviertel unten am Kai. Die Mieten waren niedrig dort, aber sie wusste trotzdem nicht, woher sie das Geld dafür nehmen sollte.
Richard holte sie zu Pferde ein, stieg aus dem Sattel und ging neben ihr her. »Die ganze Stadt riecht nach neuem Holz«, sagte er im Plauderton. «Und alles ist so sauber!«
Aliena hatte sich bereits an das neue Stadtbild gewöhnt, aber jetzt sah sie zum ersten Mal richtig hin. Es stimmte, alles war unglaublich sauber. Das Feuer hatte mit dem feuchten, modrigen Holz der älteren Gebäude, den reetgedeckten, vom jahrelangen Kochen schmierigen Dächern, den stinkenden, uralten Ställen und den übelriechenden Misthaufen kurzen Prozess gemacht. Überall roch es neu: neues Holz, neue Reetdächer, neue Binsen auf den Fußböden, ja sogar frische Tünche auf den Wänden der wohlhabenderen Häuser. Es schien, als sei der Boden durch den Brand mit Nährstoffen angereichert worden, und aus allen Ecken sprossen die Wildblumen. Es war auffällig, wie wenig Leute seit dem Brand krank geworden waren, und man nahm allgemein an, dass dies eine Bestätigung der von vielen Philosophen vertretenen These war, nach der Krankheiten sich mittels übelriechender Dämpfe verbreiteten.
Aliena, tief in Gedanken versunken, merkte, dass Richard sie angesprochen hatte. »Was hast du gesagt?«
»Dass ich keine Ahnung hatte, dass Alfred letztes Jahr um deine Hand angehalten hat.«
»Damals hattest du andere Sorgen. Das muss ungefähr zur gleichen Zeit gewesen sein, als Robert von Gloucester gefangen gesetzt wurde.«
»Es war nett von Alfred, dir ein Haus zu bauen.«
»Ja, das stimmt. Und hier ist es.« Sie betrachtete ihn, während er das Haus musterte. Er wirkte niedergeschlagen, und sie hatte Mitleid mit ihm – schließlich entstammte er einem Grafengeschlecht, und selbst das weiträumige Stadthaus, das sie vor dem Brand bewohnt hatten, war, verglichen mit der Burg, ein Abstieg für ihn gewesen. Und nun musste er sich mit einem Haus begnügen, das eher dem eines Tagelöhners entsprach.
Sie ergriff die Zügel seines Pferdes. »Komm. Hinter dem Haus ist Platz für das Pferd.« Sie führte das große Tier durch den einzigen Raum im Haus und auf den rückwärtigen Hof, band es an einen Zaunpfosten und machte sich daran, den schweren hölzernen Sattel zu entfernen. Überall
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