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Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth

Titel: Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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ein Rundbogen sei stark, weil er Teil eines Kreises war. Hätte er je darüber nachgedacht, so hätte er Spitzbogen für »schwach« gehalten. Tatsächlich aber waren die Spitzbogen, wie Jack von den Mönchen erfuhr, erheblich tragfähiger als die alten Rundbogen. Die Kirche in Cluny lieferte den Beweis, denn trotz des großen Gewichtes seiner spitz zulaufenden Steindecke war der Bau auch noch sehr hoch.
    Lange hielt sich Jack in Cluny nicht auf. Er folgte nun der Pilgerstraße gen Süden und Westen, wich aber nach Lust und Laune von ihr ab. Es war Frühsommer, und an allen Pilgerwegen, in jeder größeren Stadt und bei den Kluniazenser-Klöstern fanden sich Spielleute und Troubadoure. Vor Kirchen und Kapellen unterhielten sie die Pilgerscharen mit Rezitationen und Liedern, und manche begleiteten ihren Vortrag auf der Viola. Es war genauso, wie Aliena es ihm erzählt hatte. Jack sprach jeden Einzelnen an und fragte, ob er einen gewissen Jack Shareburg gekannt hätte. Keiner sagte ja.
    Die Kirchen, die er auf seinem Weg durch den Südwesten Frankreichs und den Norden Spaniens zu sehen bekam, versetzten ihn ein ums andere Mal in Erstaunen. Sie waren ohne Ausnahme viel höher als englische Kathedralen. Manche der tonnenförmigen Deckengewölbe waren mit Querbändern versehen, die von Pfeiler zu Pfeiler reichten. Diese Einteilung machte es möglich, eine Kirche abschnittweise zu bauen, also Joch um Joch. Und sie veränderte das Aussehen einer Kirche. Die Hervorhebung der einzelnen Bauabschnitte zeigte, dass der ganze Bau aus einer Reihe vollkommen gleicher Einheiten bestand – wie ein in Scheiben geschnittenes Brot. Der gewaltige Innenraum erhielt dadurch eine logisch gegliederte Einteilung.
    Jack traf im Hochsommer in Santiago ein. Die Hitze war gewaltig – nie hätte er geglaubt, dass es irgendwo auf der Welt derartig heiß werden konnte! Auch die Kathedrale von Santiago war atemberaubend, und das Tonnengewölbe des noch im Bau befindlichen Langhauses war ebenfalls mit Querbändern versehen.
    Von hier aus zog Jack gen Süden.
    Die Königreiche Spaniens hatten lange Zeit unter maurischer Herrschaft gestanden, und in den Gebieten südlich von Toledo waren die Muselmanen noch immer tonangebend. Jack war schlichtweg begeistert von der maurischen Bauweise, ihren hohen, kühlen Innenräumen, den Bogengängen und den im Sonnenlicht blendend weißen Mauern. Am meisten jedoch fesselte ihn die Entdeckung, dass die Sarazenen sowohl Rippen- als auch Spitzbogen verwendeten. Ob sich die Franzosen hier ihre Anregungen geholt hatten?
    An einer Kirche wie dem Dom zu Kingsbridge werde ich nie wieder arbeiten können, dachte Jack. Er saß in der warmen spanischen Nachmittagssonne und achtete kaum auf das Gelächter der Frauen, das aus dem Inneren des großen, kühlen Hauses an sein Ohr drang. Noch immer wollte er die schönste Kathedrale der Welt bauen – und die würde gewiss nichts mehr mit den in England üblichen soliden, ja festungsähnlichen Gemäuern zu tun haben. Er wollte neue Ideen und Methoden anwenden, Rippengewölbe und Spitzbogen. Dabei dachte er nicht daran, das bisher Gesehene einfach zu kopieren. In keiner der Kirchen, die er studiert hatte, hatte man die neuen Möglichkeiten optimal genutzt. Vor seinem geistigen Auge formte sich das Bild eines Doms. Die Einzelheiten waren noch verschwommen, der Gesamteindruck jedoch klar: ein raumgreifender, luftiger Bau, durch dessen hohe Fenster das Sonnenlicht strömte und dessen Gewölbe so hoch war, dass es bis an den Himmel zu reichen schien.
    »Josef und Raya werden ein Haus brauchen«, sagte Raschid unvermittelt. »Wenn Ihr es baut, werden gewiss weitere Aufträge folgen.«
    Jack erschrak. An den Bau einfacher Wohnhäuser hatte er bisher niemals gedacht. »Meint Ihr denn, sie sind damit einverstanden, dass ich ihr Haus baue?«, fragte er.
    »Das könnte durchaus sein.«
    Erneut machte sich Schweigen breit, und Jack dachte schon an eine Zukunft als Baumeister für die reichen Kaufleute von Toledo.
    Dann schien Raschid endgültig aufzuwachen. Er setzte sich auf und öffnete die Augen. »Ich mag Euch, Jack«, sagte er. »Ihr seid ein ehrenwerter Mann, und ein Gespräch mit Euch ist immer ein Gewinn, was weit mehr ist, als sich über die meisten Leute in meiner Bekanntschaft sagen lässt. Ich hoffe, wir werden auf alle Zeiten gute Freunde werden.«
    »Das hoffe ich auch«, erwiderte Jack ein wenig überrascht über die unerwartete Lobpreisung.
    »Ich bin Christ, daher

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