Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth
hatte sich für sie entschieden und sah sich nun gezwungen umzudisponieren. Bei weniger Arbeitskräften war es besser, Joch um Joch zu bauen. Diese Bauweise hatte zusätzlich einen Vorteil: Jede Veränderung, die Jack, um dem Windwiderstand Rechnung zu tragen, an seinen Plänen vornahm, konnte zunächst an ein, zwei Bauabschnitten ausprobiert werden, bevor man sie auf das ganze Gebäude übertrug.
Auch die langfristigen Auswirkungen der Geldknappheit gaben ihm zu denken. Es war gut möglich, dass sich das Bautempo in den kommenden Jahren mehr und mehr verzögerte. Schon sah er sich selbst alt, grau und hinfällig werden, ohne sein Lebensziel zu erreichen. Am Ende trug man ihn auf dem Klosterfriedhof im Schatten einer noch immer unvollendeten Kathedrale zu Grabe …
Als die Glocke Mittag läutete, ging Jack zur Bauhütte der Steinmetzen hinüber. Die Männer hatten sich soeben zu Bier und Käse an den Tisch gesetzt, und Jack fiel zum ersten Mal auf, dass viele kein einziges Stück Brot hatten. Er bat die Steinmetzen, die sonst zum Essen nach Hause gegangen wären, noch eine Weile zu bleiben. »Der Priorei wird das Geld knapp«, verkündete er.
»Ich hab noch nie ein Kloster gesehen, dem es nicht früher oder später so ergangen wäre«, meinte Edward Twonose, ein älterer Mann, der seinen Beinamen dem Umstand verdankte, dass er eine Warze im Gesicht trug, die beinahe so groß wie seine Nase war. Er war ein guter Steinmetz mit einem scharfen Auge für exakte Rundungen, sodass Jack ihn vor allem beim Bau der Säulen und Kuppeln einsetzte. »Ihr werdet zugeben«, erwiderte Jack, »dass hier in Kingsbridge besser gewirtschaftet wird als anderswo. Doch Prior Philip kann keine Unwetter umleiten und keine schlechten Ernten verhindern. Deshalb sieht er sich gezwungen, seine Ausgaben zu kürzen. Bevor Ihr esst, will ich Euch Bescheid sagen. Zunächst einmal werden wir keine Steine und kein Bauholz mehr kaufen.«
Die Handwerker aus den anderen Bauhütten waren mittlerweile hereingekommen und hörten zu. Peter, ein älterer Zimmermann, bemerkte: »Das Holz, das wir hier haben, wird nicht den ganzen Winter über reichen.«
»Doch, es wird«, sagte Jack. »Wir werden nicht mehr so schnell vorankommen, weil wir weniger Leute haben werden. Die Winterpause beginnt mit dem heutigen Tage.«
Kaum hatte er die Ankündigungen gemacht, wurde ihm auch schon klar, dass er die Sache falsch angepackt hatte: Es hagelte Proteste von allen Seiten, und alle sprachen durcheinander. Ich hätte es ihnen behutsamer beibringen müssen, dachte er. Aber er hatte keinerlei Erfahrung in solcherlei Dingen. Zwar war er schon seit sieben Jahren Dombaumeister, doch bisher war das Geld nie knapp gewesen.
Die Stimme, die sich schließlich durchsetzte, gehörte Pierre Paris, einem jener Männer, die einst aus Saint-Denis gekommen waren. Nach sechs Jahren in Kingsbridge ließ sein Englisch immer noch zu wünschen übrig, was ihn jedoch nicht daran hinderte, sich zu Wort zu melden. »Ihr könnt aber niemanden an einem Dienstag entlassen«, sagte er.
»Genau!«, stimmte Jack Blacksmith zu. »Das geht frühestens zum Wochenende.«
Auch Alfred, Jacks Stiefbruder, stimmte in den Chor ein. »Mein Vater baute einmal für den späteren Grafen von Shiring ein Haus. Da erschien Will Hamleigh und entließ alle Mann. Mein Vater sagte ihm, er habe jedem einen vollen Wochenlohn auszuzahlen, und hielt sein Pferd am Zaum fest, bis er das Geld herausrückte.«
Vielen Dank für deine brüderliche Hilfe, lieber Alfred, dachte Jack und sagte, dem Protest zum Trotz: »Ihr könnt auch gleich noch den Rest hören: Von heute an wird an Heiligentagen nicht mehr gearbeitet, und niemand wird mehr befördert.«
Das brachte die Handwerker erst recht in Rage: »Unannehmbar!«, rief einer, und gleich mehrere stimmten ihm lauthals zu: »Unannehmbar! Unannehmbar!«, erscholl es von allen Seiten.
Jack geriet nun seinerseits in Wut. »Was denkt Ihr Euch eigentlich? Wenn das Kloster kein Geld mehr hat, werdet Ihr überhaupt nicht bezahlt! Was hat es also für einen Sinn, ›unannehmbar, unannehmbar!‹ zu tönen wie eine Horde Schuljungen, die lateinische Vokabeln paukt?«
Edward Twonose ergriff das Wort. »Wir sind keine Horde Schuljungen, wir sind die Zunft der Steinmetzen«, stellte er richtig. »Die Zunft hat das alleinige Recht, Beförderungen auszusprechen, und das kann ihr niemand wegnehmen.«
»Und wenn das Geld für höhere Löhne nicht vorhanden ist?«, gab Jack in scharfem
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