Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth
Ton zurück.
»Das glaube ich nicht«, sagte einer der jüngeren Steinmetzen, Dan Bristol. Er gehörte zu den Saisonarbeitern, und das Steineschneiden ging ihm nur mühsam von der Hand. Seine Stärke lag darin, dass er sehr schnell und zuverlässig mauern konnte.
»Wie könnt Ihr einfach behaupten, Ihr glaubt das nicht?«, fragte Jack. »Was wisst Ihr schon von der Finanzlage des Klosters?«
»Ich weiß, was ich sehe«, gab Dan trotzig zurück.
»Müssen die Mönche hungern? Nein. Sind noch Kerzen in der Kirche? Ja. Ist noch Wein im Keller? Ja. Geht der Prior barfuß? Nein. Das Geld ist da. Er will es bloß nicht für uns ausgeben.«
Andere stimmten ihm lauthals zu. Zumindest in einem Punkt irrte er, und zwar, was den Wein betraf – aber Jacks Glaubwürdigkeit war schon so erschüttert, dass ihm eine Richtigstellung niemand mehr abgenommen hätte.
In den Augen der Handwerker war er längst zum Handlanger der Priorei abgestempelt. Es war ungerecht, denn schließlich war er nicht verantwortlich für Philips Entscheidungen. »Schaut her«, sagte er, »ich kann nur wiedergeben, was der Prior zu mir gesagt hat – dass es der Wahrheit entspricht, kann ich nicht garantieren. Doch sagt mir: Was können wir schon tun, wenn wir seiner Behauptung, der Priorei gehe das Geld aus, nicht trauen?«
»Wir können alle die Arbeit niederlegen«, sagte Dan prompt. »Und zwar sofort.«
»Richtig!«, ertönte es irgendwoher.
Jack erkannte, dass ihm die Sache zu entgleiten drohte. »Moment mal!«, sagte er und suchte fieberhaft nach einem Argument, das schlagkräftig genug war, um die erhitzten Gemüter ein wenig abzukühlen. »Gehen wir jetzt wieder an die Arbeit, und heute Nachmittag versuche ich, Prior Philip zu überzeugen, dass er seine Sparmaßnahmen ändern muss.«
»Ich bin dagegen, die Arbeit wieder aufzunehmen«, sagte Dan.
Es ist unfassbar, dachte Jack. Mit den absonderlichsten Gefahren, die unter Umständen dem Bau seiner Traumkirche drohen konnten, hatte er sich im Laufe der Zeit beschäftigt – auf die Idee, die Handwerker selber könnten ihn verhindern, war er nie gekommen. »Wieso sollten wir nicht weiterarbeiten?«, fragte er ungläubig. »Was macht das denn für einen Sinn?«
»So wie die Dinge liegen«, meinte Dan, »kann die Hälfte von uns nicht einmal sicher sein, dass sie bis zum Ende der Woche entlohnt wird.«
»Was jeder Sitte und Gewohnheit widerspricht«, sagte Pierre Paris. Der Begriff Sitte und Gewohnheit fiel häufig in der Rechtsprechung.
Der Verzweiflung nahe, sagte Jack: »Dann arbeitet wenigstens so lange, bis ich Prior Philip umgestimmt habe.«
»Wenn wir das tun«, fragte Edward Twonose, »könnt Ihr uns dann garantieren, dass alle bis zum Ende der Woche ihren Lohn erhalten?«
Bei Philips derzeitiger Stimmung ist das unmöglich, dachte Jack und erwog kurz, ob er nicht einfach ja sagen und die Löhne aus der eigenen Tasche bezahlen sollte, wenn es denn anders nicht ginge. Doch er verwarf den Gedanken sofort wieder: Dafür reichten seine Ersparnisse bei Weitem nicht aus. »Ich werde alles tun«, versprach er statt dessen, »ihn zu überzeugen, und ich glaube, dass er mir zustimmen wird.«
»Das reicht mir nicht«, sagte Pierre.
»Keine Lohngarantie – keine Arbeit«, sagte Dan, und zu Jacks Bestürzung stimmten ihm die anderen zu.
Wenn ich weiterhin dagegenrede, dachte er, verliere ich noch mein letztes bisschen Autorität. »Die Zunft muss mit einer Stimme sprechen«, sagte er und zitierte eine gebräuchliche Formel. »Sind alle für eine Arbeitsniederlegung?«
Im Chor ertönte die Zustimmung.
»So sei es denn«, sagte Jack niedergeschlagen. »Ich werde es dem Prior mitteilen.«
Gefolgt von einem halben Heer von Begleitern ritt Bischof Waleran in Shiring ein, wo ihn Graf William im Portal der Kirche erwartete. William, der nicht gerade mit einem Staatsbesuch gerechnet hatte, runzelte irritiert die Stirn: Worauf war der alte Ränkeschmied Waleran denn nun schon wieder aus?
Ein Fremder auf einem kastanienfarbenen Wallach fiel ihm auf: ein breitschultriger Mann mit buschigen schwarzen Augenbrauen und großer, gebogener Nase. Seine verächtliche Miene wirkte, als wäre sie ihm ins Gesicht gebrannt worden. Er ritt neben Waleran, als käme er ihm im Rang gleich, er aber trug keine Bischofskleidung.
Nachdem sie abgesessen waren, stellte Waleran den Fremden vor: »Graf William, dies ist Peter von Wareham, ein Erzdiakon in den Diensten des Erzbischofs von Canterbury.«
Keinerlei
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