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Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth

Titel: Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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hinauflaufen!« Sie achtete nicht auf die Stimme. Dann hörte sie, dass ihr jemand auf den Fersen war.
    Schwer atmend kam sie oben an. In welchem Zimmer wird Elisabeth schlafen? In Vaters ehemaligem Schlafgemach? Oder hat sie in meinem Zimmer ein eigenes Bett? Aliena zögerte einen Augenblick. Wahrscheinlich hat William inzwischen kein Interesse mehr daran, jede Nacht das Lager mit ihr zu teilen, dachte sie dann, und wenn dem so ist, lässt er sie in ihrem eigenen Zimmer schlafen. Aliena klopfte an die Tür des kleineren Zimmers und öffnete sie.
    Ihre Vermutung erwies sich als zutreffend. Elisabeth saß im Nachthemd am Feuer und kämmte sich die Haare. Sie schreckte auf und runzelte die Stirn. Dann erkannte sie Aliena. »Ihr seid es!«, rief sie aus. »Was für eine Überraschung!«
    Aliena hörte hinter sich Schritte auf der Treppe. »Darf ich hereinkommen?«, fragte sie.
    »Aber gewiss doch! Seid willkommen!«
    Flink trat Aliena über die Schwelle, schloss die Tür hinter sich und ging auf Elisabeth zu. Da platzte ein Mann herein und rief: »He, Ihr da – für wen haltet Ihr Euch eigentlich?« Er kam auf Aliena zu, als wolle er sie festnehmen.
    »Untersteht Euch, mir nahe zu kommen!«, herrschte sie ihn mit befehlsgewohnter Stimme an. »Ich bin gekommen, um der Gräfin eine Botschaft von Graf William zu überbringen, und wenn Ihr die Tür zum Saal bewacht hättet, anstatt Euch mit Brot vollzufressen, dann wüsstet Ihr längst Bescheid.«
    Der Mann wirkte auf einmal sehr betreten.
    »Schon gut, Edgar«, sagte Elisabeth. »Die Dame ist mir bekannt.«
    »Sehr wohl, Gräfin«, sagte der Mann und entfernte sich.
    Ich hab’s geschafft, dachte Aliena. Ich bin bei ihr.
    Ihr Herzschlag beruhigte sich langsam. Sie sah sich im Zimmer um. Es hatte sich nicht viel verändert seit der Zeit, da sie diesen Raum bewohnt hatte. In einer Schale lagen getrocknete Blütenblätter, an der Wand hing ein hübscher Gobelin, eine Kleidertruhe stand da, ein paar Bücher lagen herum. Das Bett – es war tatsächlich noch dasselbe – stand an der gleichen Stelle wie früher, und auf dem Kopfkissen lag eine Stoffpuppe von der Art, wie sie selbst eine besessen hatte.
    Aliena fühlte sich auf einmal alt.
    »Das war früher mal mein Zimmer«, sagte sie.
    »Ich weiß«, antwortete Elisabeth.
    Aliena war überrascht. Sie hatte Elisabeth nichts über ihre Vergangenheit erzählt.
    »Ich habe mich seit jenem furchtbaren Sturm genauestens über Euch informiert«, erklärte Elisabeth und fügte hinzu: »Ich bewundere Euch so sehr!« Ihre Augen schimmerten vor Begeisterung; sie schien Aliena geradezu anzuhimmeln.
    Das war ein vielversprechendes Zeichen.
    »Und William?«, fragte Aliena. »Vertragt Ihr Euch inzwischen besser mit ihm?«
    Elisabeth wandte den Blick ab. »Nun ja«, sagte sie zögernd. »Ich habe jetzt mein eigenes Zimmer, und er ist ja oft unterwegs. Insofern ist tatsächlich alles viel besser geworden …« Und dann brach sie in Tränen aus.
    Aliena setzte sich zu ihr aufs Bett und legte die Arme um sie. Elisabeth schluchzte tief und jammervoll, und die Tränen flossen ihr die Wangen herunter. Sie weinte so sehr, dass sie nach Luft ringen musste, und als sie sprach, kamen die Worte nur stoßweise: »Ich … hasse ihn! Ich wollte … ich wäre … tot!«
    Ihre Seelenqual und ihre Jugend waren so anrührend, dass Aliena beinahe selbst die Tränen gekommen wären. Ihr war schmerzhaft bewusst, dass Elisabeths Schicksal leicht ihr eigenes hätte werden können. Sie tätschelte der Gräfin den Rücken, so wie sie es bei Sally tat, wenn sie traurig war.
    Mit der Zeit beruhigte sich Elisabeth ein wenig. Mit dem Ärmel ihres Nachthemds wischte sie sich die Tränen aus dem Gesicht. »Ich habe solche Angst, ich könnte ein Kind von ihm bekommen«, sagte sie bedrückt. »Ich weiß genau, dass er es misshandeln würde.«
    »Das kann ich gut verstehen«, sagte Aliena. Sie selbst hatte mit der furchtbaren Vorstellung leben müssen, von William schwanger zu sein.
    Mit weit aufgerissenen Augen starrte Elisabeth sie an. »Stimmt es, was die Leute sagen … was er Euch angetan hat?«
    »Ja, es stimmt. Ich war in Eurem Alter, als es geschah.«
    Ihre Blicke trafen sich, der gemeinsame Abscheu brachte sie einander sehr nahe. Elisabeth kam ihr plötzlich sehr erwachsen vor.
    »Wenn Ihr wollt, seid Ihr ihn heute Abend los«, sagte Aliena.
    Elisabeth starrte sie an. »Wirklich?«
    Aliena nickte. »Deshalb bin ich hier.«
    »Und dann darf ich wieder

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