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Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth

Titel: Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Kinderfrau in Pflege gegeben, so hätte er nicht so viel von dir gehabt. Als du dann größer wurdest, erlebte er mit, wie glücklich du dich in die Rolle des Klosterwaisen gefügt hast. Und je glücklicher du warst, desto selbstverständlicher war es für ihn, dich im Kloster zu lassen. Es kommt ja oft genug vor, dass Eltern ihre Kinder dem Herrn schenken.«
    »All diese Jahre habe ich über meine Eltern nachgedacht«, sagte Jonathan, und Jack konnte gut verstehen, wie ihm zumute war. »Immer wieder habe ich versucht, sie mir vorzustellen. Immer wieder habe ich Gott gebeten, mich zu ihnen zu führen, und mich gefragt, ob sie mich geliebt und warum sie mich verlassen haben. Jetzt endlich weiß ich, dass meine Mutter bei meiner Geburt gestorben ist und dass mein Vater bis zu seinem Tod immer bei mir war.« Er lächelte trotz seiner Tränen. »Ich kann dir gar nicht sagen, wie glücklich ich bin.«
    Jack wollte es sich nicht anmerken lassen, dass auch er den Tränen nahe war. Zur Ablenkung sagte er: »Du siehst ihm sehr ähnlich.«
    »Wirklich?«, fragte Jonathan erfreut.
    »Weißt du nicht mehr, wie groß er war?«
    »Alle Erwachsenen waren damals groß.«
    »Er hatte sehr markante Züge, genau wie du, ein gut geschnittenes Gesicht. Wenn du dir einen Bart hättest wachsen lassen, wären wahrscheinlich auch andere darauf gekommen.«
    »Ich erinnere mich noch gut an den Tag, an dem er starb«, sagte Jonathan. »Er ging mit mir zum Fest. Wir haben uns die Bärenhatz angeschaut. Dann bin ich die Chormauer hinaufgeklettert und habe mich dort verstiegen. Ich hatte furchtbare Angst. Tom trug mich hinunter, und dabei entdeckte er dann Williams Truppe. Er hat mich in den Kreuzgang gebracht. Das war das letzte Mal, dass ich ihn lebend sah.«
    »Ich kann mich auch noch daran erinnern«, sagte Jack. »Ich sah, wie er mit dir in den Armen von der Mauer herabstieg.«
    »Er brachte mich in Sicherheit.«
    »Danach hat er sich um andere gekümmert.«
    »Er hat mich von Herzen geliebt.«
    Jack wechselte das Thema. »Das wird gewiss Auswirkungen auf das Verfahren gegen Prior Philip haben – oder?«
    »Das hatte ich ganz vergessen!«, rief Jonathan aus. »Ja, natürlich. Meine Güte!«
    »Haben wir unwiderlegbare Beweise?«, fragte Jack. »Ich sah das Kind und den Priester. Ich habe allerdings nicht mitbekommen, wie das Kind in der kleinen Priorei abgeliefert wurde.«
    »Nun, das war Francis – aber Francis ist Philips Bruder. Seine Aussage gilt als voreingenommen.«
    Jack dachte scharf nach. »An jenem Morgen«, sagte er schließlich, »sind meine Mutter und Tom einmal fortgegangen. Sie sagten, sie wollten den Priester suchen, aber ich wette, sie sind zur Priorei gegangen. Sie wollten wissen, ob es dem … ob es dir gutging.«
    »Ja, wenn sie das vor Gericht aussagen würde, dann wäre der Sack zu«, meinte Jonathan.
    »Philip hält sie für eine Hexe«, gab Jack zu bedenken. »Würde er ihr Zeugnis akzeptieren?«
    »Wir stellen ihn am besten vor vollendete Tatsachen. Aber sie kann ihn ja auch nicht leiden. Wäre sie überhaupt zu einer Aussage bereit?«
    »Ich weiß es nicht«, sagte Jack. »Da fragen wir sie am besten selbst.«
    »Unzucht und Nepotismus?« Jacks Mutter lachte schallend. »Philip? Das ist doch hirnverbrannt!«
    »Die Sache ist bitterernst, Mutter«, sagte Jack.
    »Und wenn ihr ihn zusammen mit drei Huren in ein Fass stecktet – da wär nichts mit Unzucht. Er wüsste ja gar nicht, was tun!«
    Jonathan errötete. »Prior Philip steckt in großen Schwierigkeiten«, sagte er. »Der Vorwurf mag noch so weit hergeholt sein.«
    »Und warum sollte ich ihm aus der Patsche helfen?«, fragte Ellen. »Er hat mich immer nur gepiesackt.«
    Jack hatte es kommen sehen. Seine Mutter hatte Philip nie vergeben, dass er sie und Tom auseinandergebracht hatte. »Er hat mir dasselbe angetan wie dir«, sagte er. »Wenn ich ihm verzeihen kann, dann kannst du das auch.«
    »Ich bin eben nachtragend.«
    »Dann tu es nicht für Philip, sondern für mich. Ich möchte Dombaumeister in Kingsbridge bleiben.«
    »Wie das? Die Kirche ist doch fertig.«
    »Ich würde gern Toms Chor niederreißen und ihn im neuen Stil wieder aufbauen.«
    »Herrgott noch mal …«
    »Mutter, Philip ist ein guter Prior, und wenn er einmal nicht mehr ist, wird Jonathan an seine Stelle treten – vorausgesetzt, du kommst jetzt mit nach Kingsbridge und sagst bei der Verhandlung aus.«
    »Ich hasse Gerichtsverhandlungen«, sagte Ellen. »Da ist noch nie was Gutes

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