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Die Saeulen der Macht

Die Saeulen der Macht

Titel: Die Saeulen der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maja Winter
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stürmte mit dem Pfeil in der Hand vorwärts, schreiend, während seine Beine seltsam schwerelos waren. Vielleicht flog er sogar.
    Dann das Entsetzen in ihren Gesichtern, er sah es mit Genugtuung. Wie sie erschraken, mitten im Lauf Halt machten, übereinanderstolperten in dem Versuch, umzudrehen und zu fliehen.
    Er fiel auf die Knie. Der Pfeil brannte nicht. Es gab auch kein Lied, kein flammendes Pferd galoppierte durch die Gassen, damit er aufspringen konnte. Jalimey ächzte vor Entsetzen, und irgendwie gelang es Tahan, sich mit letzter Kraft umzudrehen.
    Da stand es, das Wesen, vor dem die Soldaten flohen, ein Geschöpf, wie er es noch nie gesehen hatte, wie niemand auf dieser Welt es je erblickt hatte. Ein Ungeheuer, groß wie die Häuser, neben die es sich duckte, sprungbereit auf langen, schlanken Heuschreckenbeinen. Die Vorderfüße mit den dolchartigen Krallen tasteten durch die Luft, als prüfe es die Note der Angst darin. Der Kopf war groß, eines Löwen würdig, mit einer Mähne aus zu Schwertern erstarrten Eiszapfen, die klirrten, als das Wesen den Kopf schwenkte und eine Dachgaube streifte.
    Ein Tier aus Glas.
    Wimmernd wich Jalimey zurück, bis sie beinahe über Tahan stolperte, und als sie an seinem Arm zog, wurde ihm plötzlich bewusst, dass er keinerlei Schmerz mehr fühlte. Es gab nur noch ihn und die Glasbestie, und er hatte kein Schwert.
    Â» Rennt! « , schrie Noan.
    Ihre Füße berührten kaum den Boden. Neben ihnen hasteten die Helstener in ihre Häuser, warfen die Fensterläden zu, während das Ungeheuer vorbeizog und mit seinen wedelnden Armen ein Fenster nach dem anderen bersten ließ. Es regnete Glas, und wie durch einen Hagelsturm liefen sie um ihr Leben.
    Ãœber die Dächer huschte etwas, von weiter fort erklangen weitere Schreie.
    Â» Es sind noch mehr « , ächzte Jalimey. » Ihr Kleinen Götter, es sind unzählige! «
    Das Biest, das über die Häuser kletterte, verschwand, wobei es ein riesiges durchscheinendes Bein nachzog. Dabei hinterließ es einen Abdruck im Schnee, die Spur einer Affenpfote von der Größe eines Wagenrads.
    Niemand bewachte das Tor. Im Strom der Fliehenden waren die drei nicht die Einzigen, die bluteten, und ihre zerfetzten Kleider fielen nicht einmal mehr auf. Hinter ihnen rang ein gläserner Hahn mit einer vierbeinigen, baumlangen Schlange, die ihren Leib um einen geköpften Wächter geschlungen hatte. Starr vor Entsetzen standen mehrere Soldaten dabei und schauten nur zu.
    Sie stolperten durchs Tor und ließen Mai-Senn hinter sich.
    In dem Graben konnte Tahan nichts sehen als den grauen Himmel über sich. Die Luft roch nach Schnee und Rauch, und der Kupfergeschmack seines eigenen Blutes betäubte ihn.
    Â» Ich werde die Pferde holen, solange noch Chaos herrscht « , sagte Jalimey.
    Â» Das kommt nicht in Frage « , widersprach Noan. » Du kannst nicht zurück. Das ist viel zu gefährlich. «
    Sie lachte leise. » Ich habe längst aufgehört, mich vor irgendetwas zu fürchten. Wer sonst soll gehen? Ihr, Herr? Ich kann mich am besten unauffällig in einer großen Menge bewegen, außerdem muss jemand über den Söldner wachen, während er schläft. «
    Ich schlafe nicht, wollte Tahan einwenden, aber die Dunkelheit hatte sich wie eine schwere Decke über ihn gelegt und presste seine Glieder auf die kalte Erde. Er horchte in sich hinein und fühlte wieder die gläsernen Zweige durch seinen Leib wachsen. Wie er es gehofft hatte, schloss das Glas seine Wunden. Es tat nicht weh. Nur in seinem Nacken juckte etwas, und ein anderer Duft überlagerte den Gestank von Blut und Tod, vermoderten Blättern und gefrorener Erde, ein fremdartiger Duft und doch vertraut.
    Â» Ich weiß, wer du bist « , flüsterte das dunkle Gesicht. » Du bist der Diener. Du bist der Richtige. Wie kannst du jetzt noch daran zweifeln? Ich lebe in dir. Ich bin wach, in dir. «
    Es kostete Tahan eine ungeheure Anstrengung, den Mund zu öffnen. Aber er konnte nicht zulassen, dass sie in die Stadt ging– nicht sie, nicht jetzt. » Verräterin! «
    Â» Wer, ich? « , fragte Jalimey.
    Â» Willst du die Soldaten herbringen? Ist das dein Plan? Haltet sie zurück, Herr. Wir dürfen sie nicht aus den Augen lassen. «
    Â» Ich bin keine Verräterin! « , protestierte das Mädchen. » Wie kommst du darauf, nach allem, was wir

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