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Die Saeulen der Macht

Die Saeulen der Macht

Titel: Die Saeulen der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maja Winter
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sich als harmlose Reisende ausgaben, lächelte Jalimey still die Kinder an. Ihr Haar, zu einem Zopf geschlungen, hatte sie mit Strähnen aus dem Schweif ihres braunen Wallachs verlängert, sodass sie als Leibeigene auftreten konnte. Auch für Noan hatte sie aus Valas Schweifhaaren einen dicken Zopf geflochten und ihn mit einer Spange an seinen kurzen Haaren befestigt. Falls man also nach einem Edelmann mit zwei Sklaven suchte, traf diese Beschreibung nicht auf sie zu. Da Noan und Jalimey so offensichtlich terjalisch aussahen, nahmen die Menschen sie nicht überall freundlich auf, bis Tahan erzählte, sie seien aus Me Lasson und in Richtung Grenze unterwegs, um sich als Söldner zu verdingen.
    So oft wie möglich blieben sie mehr als eine Nacht, um sich zu erholen und satt zu essen, bevor es weiterging in Kälte, Hunger und Dunkelheit. Tahan verdingte sich meist als Holzfäller. Einmal hing in einer Bauernstube eine Laute an der Wand, und nachdem er ein paar Takte gespielt hatte, versammelte sich das ganze Dorf, um ihm zuzuhören. An diesem Ort blieben sie fünf Tage und konnten sich nur unter vielen Versprechungen und Zuneigungsbekundungen davonmachen. In einem anderen Dorf ließen sie Jalimeys lahmendes Pferd zurück, und das Mädchen saß wieder hinter Tahan, die Arme um seinen Bauch geschlungen. Manchmal war ihm, als würde sie lautlos schluchzen, die Zähne fest zusammengebissen. Er fragte sie nicht nach ihrer Schwester, auch nicht nach ihrem Neffen. Es gab Dinge, über die musste man nicht reden. Aber dass er sich Gedanken machte über sie und ihren Verrat und über Kalamey, daran konnte sie ihn nicht hindern.
    Kurz vor der Grenze verließ sie das Glück. Damit, dass hier zahlreiche Soldaten unterwegs waren, hatten sie gerechnet, weshalb sie die Straße schon einige Tage vorher verlassen und sich dem Wislan durch den Wald genähert hatten. Beim letzten Mal hatten sie den Bach ohne Probleme an einer seichten Stelle durchqueren können, bevor der gläserne Hirsch sie angegriffen hatte, doch jetzt im Winter war es unmöglich. Das Wasser war nicht vollständig gefroren, die Ränder eisverkrustet, dicke Schollen trieben in der Mitte des Baches, der wild schäumend dahinfloss.
    Sie stiegen von den Pferden und starrten eine Weile auf die Schaumkronen, die kleine Eisbrocken mit sich trugen.
    Â» Ist das wirklich dieselbe Stelle? « , fragte Jalimey.
    Â» Dort war unser Lagerplatz, weißt du noch? « Stirnrunzelnd betrachtete Noan die ehemalige Furt.
    Nur ungern erinnerte Tahan sich an den Hirsch und das Glas, das ihm durch die Haut stach, das sich in sein Fleisch bohrte. Er drehte sich um und betrachtete die Bäume, die schweigend hinter ihnen zu warten schienen. Etwas bewegte sich in den überfrorenen Zweigen. Ein Vogel? Er bückte sich, hob einen Stein auf, wog ihn prüfend in der Hand.
    Â» Vielleicht gibt es irgendwo einen anderen Übergang « , überlegte Noan gerade. » Weiter oben, über den Wasserfällen, müsste die Strömung sehr stark sein. Wenn die Ufer nicht überfroren sind, könnten wir dort hindurchwaten. «
    Tahan warf. Mit einem melodischen Klirren zersprang die Eiskruste auf den Ästen. Ein nahezu durchsichtiger Vogel mit langen Froschbeinen stieg flirrend auf und flatterte davon.
    Ein ungutes Gefühl machte sich in ihm breit.
    Â» Der Turm ist gefallen. Da wir keine Glasbestien mehr gesehen haben, auf dem ganzen Weg nicht, dachte ich, die Ungeheuer in der Stadt seien die letzten gewesen, die seine Magie hervorgebracht hat. « Noan war blass geworden.
    Â» Offenbar haben wir uns geirrt « , gab Tahan zu. » Sie sind immer noch hier, um die Grenze zu bewachen. Sollten sie uns da oben überfallen, wenn wir im Wasser sind… «
    Die Glastiere hatten nichts mit den helstenischen Findalia-Priestern zu tun, die Bruderschaft der Vier war dafür verantwortlich. Hatte Tahans das nicht gewusst– spätestens seit Ralnir ihm gesagt hatte, dass er die Macht des gläsernen Turms besaß?
    Jalimey stand auf der anderen Seite des Hengstes und entwirrte nachdenklich eine verfilzte Stelle in seiner Mähne. » Also heißt es, Soldaten oder Bestien? Wir können uns aussuchen, wie wir sterben? «
    Â» Glas kann Tahan nicht schaden « , sagte Noan.
    Â» Euch schon. Und mir auch. « Dieses Mädchenlächeln war nicht von dieser Welt. » Wolltet Ihr das sagen, Herr?

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