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Die Saeulen der Macht

Die Saeulen der Macht

Titel: Die Saeulen der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maja Winter
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des Leibes nach, über den gestürzten Kundschafter.
    Wilfir schrie wie am Spieß, während er sich am Boden wand und vergeblich versuchte, das Ungeheuer abzuschütteln. Zu Tahans Entsetzen waren es keine normalen Schweinefüße, mit denen das halb zerstörte Glastier über seinen Kameraden taumelte, es waren riesige Krallen, lang wie Dolche. Das Schwert zu ziehen, in einer einzigen fließenden Bewegung, und es auf das Schwein hinabsausen zu lassen war eins, es geschah ohne Nachdenken. In einem Schauer zersprang das Schwein in tausend Stücke, nur ein Haufen rauchgrauer Glasscherben blieb zurück. Tahan schrak zusammen, als er die fürchterlichen Wunden bemerkte. Wilfirs Unterbauch war eine einzige blutige Masse, es war ein Wunder, dass er noch lebte. Der Schnee um ihn herum färbte sich bereits blutrot.
    Â» Nicht gut « , ächzte Wilfir.
    Tahan betrachtete ihn ohne Mitleid. » Du hast recht, es sieht nicht gut aus für dich. «
    Â» Ich kann gar nichts spüren. « Hilfesuchend streckte der Verletzte die Hand aus. » Bleib bei mir, Tan. Es wird kalt. « Er sprach so leise, dass er kaum zu verstehen war, seine Stimme verzerrt vor Angst.
    Die Stille dröhnte in Tahans Ohren. Bis zum Sonnenuntergang war es kaum noch ein Schattenstrich, das war knapp genug.
    Â» Ich muss zurück ins Lager « , sagte er.
    Â» Bitte « , stöhnte Wilfir. » Bitte… «
    Tahan beugte sich über ihn, darauf bedacht, nicht in den Scherben zu knien. » Ach, jetzt auf einmal? Jetzt brauchst du mich? Ich bin der verhasste Ausländer, schon vergessen? Ich kämpfe für schnöden Sold. Warum sollte es mich interessieren, wie du hier verreckst? Wenn du doch weder mein Landsmann noch mein Freund bist? «
    In den Wipfeln knisterte der Frost. Der Wind tastete sich mit kalten Fingern über die Rinde der Bäume, die leise knarrten und ächzten. Eine Wolke von nadelfeinen Schneeflocken rieselte herab und bestäubte den Sterbenden mit weißem Puder. Tahan fühlte, wie die Flocken auf seiner Wange schmolzen, und spürte seine eigene Lebendigkeit plötzlich mit Genuss.
    Â» Es wird dunkel « , sagte er. » Schon bald. Dunkel und kalt. Was mag in diesem Wald noch alles lauern? Wo dieses seltsame Ungeheuer herkommt, gibt es vielleicht noch mehr. Gestalten aus unseren Albträumen. Verirrte Berglöwen, hungrige Wölfe. Es heißt, dass sogar Keioron, der grausame Gott des Eises, im Winter die hohen Schneeberge von Deaware verlässt und durch die verschneiten Wälder am Jakont wandert. «
    Wilfir riss entsetzt die Augen auf.
    Â» Ich habe weiter gehört « , fuhr Tahan fort, und vielleicht ähnelte in diesem Moment sein Lächeln dem des unbarmherzigen Eisgottes, » dass die toten Söldner aus Me Lasson unter uns umherirren, weil wir ihnen den Weg durchs Feuer verweigern. In Me Lasson huldigen sie Kyla, der dunklen Hohen Göttin des Feuers und des Krieges. Der Weg ins Himmelreich ist für ihre Anhänger entweder ein Sieg oder wenigstens die ordentliche Verbrennung ihrer Leichname. Das ist dir doch bekannt? Unsere Heeresleitung jedenfalls schert sich nicht darum. Bis hinauf zum Mealinion sind sie zu dumm, um über den Rand ihrer Bierkrüge hinauszuschauen. « Es tat unendlich gut, es endlich einmal auszusprechen. » Nach jeder Schlacht, die wir gewonnen haben, scharen sich mehr Söldnergeister um uns. Bis in alle Ewigkeit kreisen sie um die Grube, in der wir ihre Leichen verscharrt haben, und das bedeutet leider, sie bleiben immer in der Nähe unseres Wachturms und bevölkern das Tal von Jakont. In stillen Nächten kann man sie sehen, so habe ich es von ein paar Männern gehört, in den langen Nächten der bleichen Sonne, wie sie mit ihren Äxten durch den Wald marschieren, um von ferne einen Blick auf das verfluchte Tal zu werfen. In Nächten wie diesen. «
    Â» Nein « , wisperte Wilfir, zitternd vor Furcht und Entsetzen. » Oh nein, Tan, mein Freund… «
    Der Prinz erhob sich, immer noch lächelnd, und verschwand zwischen den Baumstämmen, ohne zurückzublicken.
    An diesem Abend herrschte Trauer im Lager der vierten Truppe. Als Tahan zurückkehrte– mit einem Schneehasen, den er aus einer Falle der Helstener genommen hatte–, merkte er gleich, dass etwas nicht stimmte.
    Â» Es hat ein Scharmützel weiter nördlich an der Wislan-Furt gegeben « , unterrichtete ihn

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