Die Saeulen der Macht
Irrtum war verständlich. Das Grafentum Birin schmückte sich ebenfalls mit einem Blatt, allerdings war jenes ein Efeublatt, nicht Weinlaub. Der Soldat kam nicht einmal auf die Idee, eins der Hohen Häuser in Betracht zu ziehen, obwohl er das Sastan-Schwert und den zierlichen Berg-Vollblüter direkt vor der Nase hatte.
So gut Tahan dieses Schauspiel auch gefiel, der richtige Augenblick für ihn war gekommen. Er wusste den Namen wieder.
» Darf ich Euer Pferd versorgen, Siljalinion? « , fragte er und senkte demütig den Kopf. » Fürst Noan Dor Garlawin? «
Niefon wurde blass. » Der neue Siljalinion? « Eilig brachte er eine unbeholfene Verbeugung zustande. » Oh, Herr⦠«
Der neue Befehlshaber schwenkte einen Brief. » Das ist meine Ernennungsurkunde, unterzeichnet vom König selbst. « Niefon griff danach, aber Noan hielt das Blatt fest, ohne dass sein Lächeln verrutschte. » Das behalte ich, danke. « Er wandte sich an Tahan. » Du kannst mein Pferd gerne mitnehmen. Vorsicht damit, Vala ist ein wenig eigen. «
Der Prinz konnte spüren, dass der Junge am liebsten mitgekommen wäre, statt sich weiter mit Niefon und den erschrockenen Soldaten auseinanderzusetzen. Doch er beging nicht den Fehler, irgendeine Schwäche zu zeigen.
» Dies hier ist also tatsächlich die legendäre Vierte? Werden hier alle Dinge so lax gehandhabt? « , hörte Tahan den neuen Siljalinion fragen, während er die tänzelnde Rappstute davonführte.
Als er später nach Ganashko sah, stand die kleine Stute neben dem zotteligen Untier und knabberte an dem Heubüschel, das dem Moorpferd aus dem Maul hing. Der neue Oberbefehlshaber lehnte am Gatter, die Hände in seinem Gürtel verhakt, und beobachtete die beiden.
» Komm ruhig her « , sagte Noan, ohne den Kopf zu wenden. » Du bist der Söldner aus Ganashk, wie ich hörte. «
» Ja, Herr. « Vorsichtig trat Tahan näher. Ein Plan formte sich langsam in ihm, vorerst noch grob umrissen. Er musste es von Anfang an richtig machen. » Der bin ich. «
» Wie hast du meinen Namen erraten? Die meisten, die ich auf dem Weg hierher getroffen habe, dachten, dass ich aus Birin komme. «
» Es gibt nur eine Familie mit silberdurchwirktem Weinlaub im Wappen, Herr. «
Tahan senkte den Blick. Sein eigener Name brannte ihm auf der Zunge, doch er schluckte ihn herunter.
» Was weiÃt du über die Hierarchien von Terajalas? «
» Ihr meint das Hakalion, Herr? «
Der Junge nickte. » Du kämpfst für ein fremdes Königreich, aber ich vermute, nicht einmal ein Söldner kann sich in Terajalas aufhalten, ohne etwas über das Hakalion zu erfahren. «
» Ja, Herr, ein wenig. « Er musste die Aufmerksamkeit dieses Knaben erringen, aber auch nicht zu viel davon.
Ãber die Garlawins waren viele Gerüchte im Umlauf, Geschichten, die man sich sogar am Königshof erzählte. Das alte Blut von Terajalas, uralte Terajalas-Bräuche, mehr noch als die Tatsache, dass sie in ihrer Festung tief in den Aware-Bergen, den nördlichsten Ausläufern des Deaware-Gebirgszugs, keine Sklaven hielten. Immer noch lehnten sie einen Teil der von den neuen Herren des Landes aufgestellten Gesetze ab und lebten wie vor tausend Jahren. Ihr Land war darum wie ein kleines eigenes Königreich inmitten des Reiches, über das Ilan herrschte, nur über verwinkelte Pfade und mit Hilfe der ziegenflinken Bergpferde erreichbar. Es hieÃ, ihr Lehnsvolk sei treuer und ergebener als irgendwo sonst, und sie verehrten ihren Fürsten, als wäre er ein Kleiner Gott. Noan Dor Garlawin war tatsächlich der erste Adlige, der noch nicht versucht hatte, Tahan zu treten oder zu schlagen. Nicht einmal beleidigt hatte er ihn.
» Also gut, die Hierarchien « , wiederholte Tahan, um Zeit zu gewinnen. Warum fragte der Siljalinion das, wollte er ihn prüfen? Jetzt bloà nicht übertreiben, ja nicht zu sehr auffallen. Was konnte ein gewöhnlicher Ausländer über die gottgegebene Ordnung wissen? » Das Hakalion-Prinzip ist überall gleich und auf jedes Gebiet des Lebens übertragbar. Die erste Ordnung heiÃt Skalt, das ist die Zwei. An der Spitze steht immer ein Paar. Auf das Heer bezogen sind das der König und der Kriegsherr, auf die Gesellschaft bezogen der König und die Königin, auf der göttlichen Ebene das göttliche Paar, das den Urgrund des Lebens
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