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Die Saeulen der Macht

Die Saeulen der Macht

Titel: Die Saeulen der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maja Winter
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knabbern. Tahan wandte sich um und ließ den Blick über die Landschaft schweifen. Bewaldete Hügel lagen vor ihm, doch da die Wolken so tief hingen, blieb der Horizont verborgen, und er konnte nur ahnen, wo die Grenze zwischen den beiden Königreichen verlief. Es war unnatürlich still, und das Grau, das sich mehr und mehr verdichtete, dämpfte alles, sogar das leise Schnauben und Stampfen der Pferde.
    Jalimey trat neben ihn. Ihr Atem bildete kleine weiße Wölkchen. » Söldner Tahan? «
    Er nickte zum Gruß. Sie zu ignorieren brachte nichts, das hatte er zur Genüge festgestellt.
    Â» Du erzählst nie von deiner Vergangenheit. Von deiner… Familie. « Sie blickte schräg zu ihm auf wie ein Vögelchen, das auf Futter wartete. » Hast du Eltern, eine Frau, vielleicht Kinder? Oder ist der große, schreckliche Tahan ganz allein auf der Welt, einsam und verlassen? «
    Â» Und wenn es so wäre? « , fragte er mit einem süffisanten Lächeln. » Bietest du dich an, mich zu trösten? «
    Jalimey steckte die Hände unter ihre Achseln. Ihre Nase war gerötet, die Lippen waren von der Kälte bläulich verfärbt, aber in ihren Augen loderte ein Feuer. » Ich versuche zu ergründen, wer du bist « , sagte sie. » Warum du nicht begreifen kannst, wie wichtig es mir ist, meine Schwester und meinen Neffen zu finden. «
    Â» Und deine Mutter « , ergänzte er, denn er meinte sich zu erinnern, dass auch von einer Mutter die Rede gewesen war.
    Â» Nein « , sagte Jalimey schroff. » Sie war zu schwach für die Flucht. Sie hat uns ihre letzten Vorräte mitgegeben. «
    Er wandte den Blick von ihr ab. Der Nebel kroch näher, unter ihm schienen die Hügel sich zu ducken. Ein leises Läuten wie von unzähligen kleinen Zeremonienglöckchen ging durch die Sträucher, obwohl kein Lüftchen wehte.
    Â» Wenn du jemanden verloren hast, musst du doch wissen, wie es sich anfühlt! «
    Â» Warum meinst du, ich hätte jemanden verloren? «
    Â» Weil… « Sie zögerte und drehte sich um. Noan war in der Höhle, trotzdem dämpfte sie die Stimme. » Weil du aussiehst wie jemand, der verloren ist. Er nicht. Er ist ein verwöhnter Adliger, der niemals irgendetwas entbehren musste. Sein Mut beruht darauf, dass er auf die Götter und das Schicksal vertraut. Ihm ist nie etwas Schlimmes zugestoßen, er weiß nicht, wie es ist, wenn die Götter sich abwenden, wenn man keinen einzigen Gott kennt, zu dem man beten könnte, wenn keiner zuständig ist und dich sieht, nicht einmal einer der Kleinen Götter. Du dagegen, Tahan… du lachst viel, doch deine Augen sprechen eine andere Sprache. «
    Â» Du täuschst dich in dem Fürsten. Sein Bruder ist vor Kurzem in der Schlacht gefallen. « Was meinte sie in Noan zu sehen – und was in seinen eigenen Augen? Vielleicht wollte er es lieber gar nicht wissen. » Was willst du von mir, Jalimey? Willst du meine Seele heilen, oder hast du vor, mir die Splitter noch tiefer in die Haut zu drücken? «
    Â» Bist du auf Rache aus? Bist du auf der Suche? Was ist es? «
    Â» Warum glaubst du, da wäre etwas? « , fragte er. » Ich habe eine große Familie, Eltern, Geschwister, jede Menge Onkel und Tanten, alle in Ganashk. Sie bestellen die Felder, gehen fischen und deuten das Wetter. Kümmert es mich, ob sie mich vermissen? Ich bin hier. «
    Â» Du lügst « , sagte Jalimey.
    Â» Natürlich « , gab er zu. » Warum auch nicht? Du bist ein Bauernmädchen, das ich zufällig vor einer Handvoll Soldaten gerettet habe. Warum sollte ich dir etwas über meine Vergangenheit und meine Herkunft erzählen? «
    Der Nebel war unbemerkt näher gerückt, ein Feind, der sich lautlos anschlich. Das feine Klirren der Gräser wurde stärker, als ob dort, versteckt von den Schwaden, etwas anderes käme.
    Â» Meine Schwester hat im Haus des Grafen gedient « , sagte sie leise. » Jeden Tag ging sie dorthin, frühmorgens, bevor die Sonne sich am Horizont zeigte. Jeden Abend kam sie mit wunden Füßen zurück. Ich wollte mit, ich wollte ebenfalls dort arbeiten, aber sie hat es mir verboten, damit die Wachen des Grafen Birin mich nicht sehen. «
    Â» Eine weise Entscheidung « , merkte er an.
    Â» Natürlich bin ich trotzdem gegangen. Ich musste, denn unser Land warf nichts mehr ab, nachdem unser Vater in den Krieg

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