Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Saeulen der Macht

Die Saeulen der Macht

Titel: Die Saeulen der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maja Winter
Vom Netzwerk:
daran, dass ihn abzustreifen auch einen Verlust bedeutete. Er war nahezu unbesiegbar, er konnte nicht erfrieren, er konnte jagen, wen und was er wollte. Er war sein eigener Herr.
    Was würde dort, am Baum in Rajalan, mit ihm geschehen? Er starrte in die Flammen, die über Brands Klinge tanzten und in grellen Wirbeln auf und ab stiegen, und dachte nach. Dummerweise mischten sich in seine Gedanken andere Bilder, die er nicht gerufen hatte. Jalimeys große, dunkle Augen. Noan mit dem Mal seiner Faust auf der Wange, Noan, der sich abwandte, dessen Stimme auf einmal anders klang.
    Wo sie sich wohl mittlerweile befanden? Der junge Garlawin hatte eine gute Technik gelernt, und die Sastan-Klinge war eine hervorragende Waffe. Wie viele Helstener konnte er wohl töten, bevor sie ihn überwältigten? Drei, vier? Geschick und Mut waren nicht alles. Ihm fehlte die pure Kraft, die nötig war, um einem Ansturm standzuhalten, die Kraft, mit der man Rüstungen zerschmetterte oder gläserne Bestien, die Stärke, mit der man Knochen zerbrach und eine Schneise in die wimmelnde Masse der Feinde schlug. Begegneten sie nur einem Soldaten, war Noan gut genug, mit zweien konnte er ebenfalls fertig werden. Wenn es mehr Gegner waren, musste er fliehen, aber mit dem schnellen Pferd sollte auch das kein Problem sein. Warum dachte Tahan überhaupt darüber nach, was aus Noan wurde? Warum dachte er an ihn als einen Jungen? Fürst Noan war ein Mann, und er konnte für sich selbst sorgen.
    Für sich und das Mädchen.
    Ob sie wohl näher aneinanderrückten, jetzt, da Tahan nicht mehr zwischen ihnen stand? Wenn Jalimey sich nicht mehr mit ihm streiten konnte, musste sie wohl oder übel mit Noan sprechen. Irgendwann würde er merken, wie sie ihn betrachtete, dass sie die Augen kaum von ihm lassen konnte, als wäre er das schönste Wesen, dem sie je begegnet war.
    Was sie wohl taten, abends in dem kleinen Zelt?
    Nein. Tahan rief seine Gedanken zur Ordnung. Die beiden konnten es sich nicht leisten, mitten im Feindesland zusammen ins Zelt zu kriechen. Sie mussten wachsam bleiben. Aber würden sie das, wenn die Leidenschaft sie überwältigte?
    Was, wenn der Brief in die falschen Hände geriet? Wenn die Prinzessin als Verräterin entlarvt wurde? Wenn König Ilan Dor Hojan davon erfuhr? Was, wenn Prinz Widians Leben von diesem Brief abhing, möglicherweise sogar das Schicksal von ganz Terajalas?
    Doch was machte er sich hier Gedanken?
    Er hatte sowieso keine Wahl. Der Befehl schickte ihn nach Rajalan, und er konnte nicht umkehren, selbst wenn er es gewollt hätte.
    Es war ein Versuch, nicht mehr. Tahan wollte nur feststellen, inwieweit der Fluch Macht über ihn hatte. Die Vorteile der Magie zu spüren hatte ihn beinahe übermütig gemacht, daher war es sinnvoll, auch die bittere Wahrheit über den Zwang zum Gehorsam noch einmal zu überprüfen. Bevor er völlig den Verstand verlor und sich dafür entschied, ein Held zu bleiben.
    Tahan wandte sich um und ging in die falsche Richtung, zurück nach Südosten, entgegen Noans Befehl. Ein paar Schritte gelangen ihm, dann schlug der Fluch zu, und der Schmerz warf ihn nach vorne in den Schnee.
    Mit einem grimmigen Lächeln setzte er sich auf. » Siehst du? « , sagte er zu sich. » Es wird sich immer jemand finden, der dir Befehle erteilen will. Geh nach Rajalan und entledige dich des Fluchs. «
    Sie waren schon alte Vertraute– der Fluch, der Schmerz und sein Trotz.
    So schnell gab er nicht nach. Er rappelte sich auf, krallte die Hände in Ganashkos Fell, zog sich daran hoch. Atmete, wartete, bis sein Herzschlag sich beruhigt hatte.
    Â» Weiter « , flüsterte er. » Mal sehen, wie weit wir kommen, bevor ich ohnmächtig werde. «
    Es war wie vor fünf Jahren, als er sich geweigert hatte, Burg Ameer zu verlassen. Das Feuer wandte sich gegen ihn, strafte ihn, fuhr mit glühenden Krallen durch seinen Verstand, bis ihn das Gleißen überwältigte.
    Trotzdem konnte er noch immer nicht aufgeben. Noan war nicht sein Herr, dies bewies Tahan ihm und sich selbst mit jedem Schritt, mit jedem Sturz in den Schnee. Irgendwann fiel er gegen einen Felsen und schrammte sich die Wange an einer spitzen Kante auf. Er blieb liegen und fühlte, wie ihm das Blut übers Gesicht rann. Ganashko beobachtete ihn, und falls die Götter ihn mit mehr Verstand gesegnet hatten als ein gewöhnliches Pferd, ließ er sich

Weitere Kostenlose Bücher