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Die Saeulen der Macht

Die Saeulen der Macht

Titel: Die Saeulen der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maja Winter
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hatte, fühlte er sich schon etwas besser.
    Der Fluch hatte ihn nicht getötet.
    Â» Du hast mich nicht besiegt « , flüsterte Tahan. » Wer bestimmt also, wohin ich gehe? «
    Die Schmerzen kehrten nicht zurück. Er hatte den Befehl gebrochen wie ein Siegel, dafür wusste er nun, was es kostete.
    Zum Jagen hatte er keine Kraft. Dankbarkeit wärmte ihn, als er im Wald einen Strauch mit Nüssen und einige Handvoll gefrorener Beeren fand, die so süß waren, dass es ihm die Tränen in die Augen trieb.
    Ganashko fraß welke Blätter und vergilbtes Gras, das unter der schmelzenden Schneedecke hervorkroch, dann ritten sie weiter in östlicher Richtung.
    Helsten war ein Land von gewaltigen Ausmaßen, aber Tahan zweifelte nicht daran, dass er Noan und Jalimey finden konnte. Sie wollten nach Mai-Senn, und es gab nur eine Straße, die von der terjalischen Grenze dorthin führte. Er hatte diesen Weg wohlweislich gemieden, weil Rajalan sein wahres Ziel gewesen war. Dasnaree hatte ihm und Noan einen Blick auf eine gute Karte gewährt, die zweifelsohne ein Spion oder ein Gefangener hergestellt hatte, denn sie enthielt Wissen, das nur ein Einheimischer besitzen konnte. Wenn Noan sich an die Einzelheiten erinnerte, würde er versuchen, die Straße zu erreichen. Selbst wenn nicht– so viele Flüsse und Schluchten durchzogen das Hügelland, dass die beiden zwangsläufig irgendwann auf die Straße stoßen mussten. Der Fluch schwieg, als Tahan weiter durch den Wald torkelte. Er wollte nicht reiten, sondern seine Muskeln an ihre Aufgabe erinnern. Wenn sie auf Feinde trafen, war er ihnen in diesem Zustand hilflos ausgeliefert, und dann wären alle Widrigkeiten umsonst gewesen. Er war nicht hergekommen, um sich zu ergeben, weder der Schwäche noch dem Fluch, noch sonst irgendetwas.
    Irgendwann kehrte das Leben in seine Gliedmaßen zurück. Dass er auf ein verlassenes Lager stieß, verlieh ihm neuen Mut. Jemand hatte eine Feuerstelle mit Erde bedeckt und hastig die Spuren verwischt– allerdings nicht besonders gründlich. Für jemanden, der jahrelang Kundschafter gewesen war, gab es hier noch jede Menge Hinweise. Die Reisenden hatten Pferde bei sich, und die langen schwarzen Haare, die in einem Strauch hängengeblieben waren, zeigten ihm, dass eins davon ein Rappe von niedrigem Stockmaß war. Tahan lächelte zufrieden und zugleich besorgt. Das Lager war schon mehrere Tage alt, und wenn er sich nicht täuschte, war eine dritte Person dabei gewesen. Anders waren die winzigen dunklen Krümel neben der Feuerstelle nicht zu erklären– keine Asche, keine Erde, sondern eindeutig Banoa.
    Noan trank kein Schwarzes Wasser, Jalimey wusste vermutlich nicht einmal, was das war. Es war viel zu teuer, um an Leibeigene verschwendet zu werden. Also war jemand hier gewesen, der sich das Pulver leisten konnte– mit ihnen oder kurz nach ihnen. Die Tiere, die später im Schnee gewühlt hatten, hatten einen großen Bogen um das Banoa gemacht. Auch Ganashko schnaubte angewidert und wich zurück. Bitter und scharf stach es selbst im Rohzustand in die Nase.
    Â» Wir müssen sie finden « , sagte Tahan leise. » Sie wurden verfolgt, das gefällt mir gar nicht. «
    Er hätte widerstehen sollen, aber er konnte nicht. Körnchen für Körnchen klaubte er das kostbare Pulver auf und mischte es mit Schnee. Am liebsten hätte er es sich pur auf die Zunge gelegt, aber das hatte er einmal getan und nie wieder– dagegen waren die Schmerzen des Fluchs gar nichts.
    Weiße Streifen liefen am Rand seiner Wahrnehmung entlang. Die Gedanken wurden klar wie Glas, schneidend scharf, alles wurde durchsichtig, nichts blieb mehr verborgen. Die Welt öffnete sich nach oben ins blendende Licht, durch das der Wind auf vorgeschriebenen Pfaden tanzte und Muster malte. In der Dunkelheit unter seinen Füßen wisperten Stimmen, lächelten Gesichter, sie weinten, schnitten Grimassen, flüsterten einander Geheimnisse zu.
    Auf einmal veränderte sich das Bild, und voller Entsetzen beobachtete Tahan, wie sich auf seiner Haut dunkle Beulen bildeten, die knackend aufplatzten. Schwarze Zweige wuchsen aus seinen Armen, seinen Händen, wuchsen rasch, Knospen blähten sich auf, Blätter entrollten sich. Vor Schmerz und Schrecken wollte er schreien, aber er konnte nicht. In seinem Mund wuchsen Blüten, der intensive Duft lähmte ihn, hüllte ihn ein.

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