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Die Saeulen der Macht

Die Saeulen der Macht

Titel: Die Saeulen der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maja Winter
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nichts davon anmerken. Als er genug geglotzt hatte, wandte er sich ab und scharrte unter dem Schnee nach Gras.
    Tahan lag da, unfähig, sich zu rühren. Sein Kopf dröhnte, bunte Funken tanzten vor seinen Augen, den Himmel verbarg ein roter Schleier.
    Er konnte nicht umkehren, das war hiermit bewiesen. Noan war selbst schuld, was erteilte er ihm auch so einen blödsinnigen Befehl, der ihn und Jalimey schutzlos zurückließ? Sie würden beide sterben. Dasnarees Brief würde nie überbracht werden. Die Geschichte war zu Ende.
    In ihm regte sich das dunkle Gesicht, öffnete die Augen. Diesmal sprach Tahan als Erster.
    Â» Wer bist du? Bist du mein Fluch? «
    Die Stimme war rau und knarzig wie altes Holz. Schärfe brannte an ihren Rändern, irgendwo mitten im Traum duftete es nach Frühling und tausend Sommern.
    Â» Ich bin alle Richtungen « , sagte der Dunkle. » Ich bin oben und unten und die Mitte. Ich ruhe und wachse ruhelos. Ich bin im Wind und ich bin in der Erde, ich bin stark und ich bin leicht. «
    Â» Nein « , widersprach Tahan. » Du bist ein dunkles Gesicht in meinem Traum. Man könnte meinen, ich hätte zu viel Banoa getrunken. «
    Der Dunkle gab sich unbeeindruckt. » Ergib dich. « Der Ruck, mit dem er an Tahan zog, war stärker als jemals zuvor. » Ergib dich! «
    Â» Weißt du, allmählich langweilt mich das. Ergib dich, ergib dich! Hörst du dir selbst jemals zu? Ich habe nein gesagt, dabei bleibt es. Verschwinde aus meinem Kopf, ich habe zu tun. «
    Das Lachen des Dunklen klirrte wie unzählige Eiszapfen, durch die der Wind strich.
    Mühsam stand Tahan auf, die Kälte steckte ihm in den Knochen, und sein Nacken brannte wie Feuer, auch dort musste er sich verletzt haben. Er fühlte mit den Fingern nach einer Wunde und ertastete etwas Seltsames, das sich weder wie Schorf noch wie eine frische Schramme anfühlte. Ein Stück Stoff schien an seiner Haut zu kleben. Er riss daran, woraufhin er zu seiner grenzenlosen Überraschung ein goldgelbes Blütenblatt in der Hand hielt. Nun verstand er auch, woher der intensive Frühlingsduft kam– nicht aus seinem Inneren, sondern aus der Blume. Nur eines begriff er nicht: warum ihm eine Blüte aus der Haut wuchs.
    Langsam wurde ihm die Sache unheimlich.
    Â» Also, was tun wir jetzt, Ganashko? « , fragte er das Pferd, das den Kopf hob und ihn erwartungsvoll beäugte.
    Die Antwort musste er selbst finden.
    Â» Verstehst du mich? Es wird nicht gelingen, wenn du mich nicht verstehen kannst. Ich werde jetzt auf deinen Rücken steigen und mich festbinden. Dann reiten wir los. Wenn ich ohnmächtig werde, was todsicher passieren wird, musst du einfach weitergehen. Hast du das begriffen, Flammenross? Kümmere dich nicht um mich. Lass dich nicht stören, falls ich schreien sollte. Geh einfach weiter, immer weiter. «
    Ganashko glotzte mit großen Augen, ohne jedes Zeichen.
    Tahan säbelte ein Stück Stoff von seinem Umhang ab, rollte es zusammen und steckte es sich in den Mund, damit er sich nicht aus Versehen die Zunge abbiss, falls es zu schlimm werden würde.
    Denn das würde es.
    Er stieg auf und band seine Beine an den Zotteln fest. Bequem würde dieser Ritt nicht werden und auch sonst alles andere als ein Vergnügen.
    Â» Dann mal los. «
    Es war Tag, als Tahan zu sich kam. Er hatte keine Ahnung, der wievielte Tag, so wenig wie er wusste, wo sie waren. Ganashko hatte den Kopf gesenkt, um aus einem Bach zu trinken. Sprudelnd hüpfte das Wasser über die Steine, schäumte und gluckerte. Hatte es getaut? Wohin er auch blickte, ragten schwarzen Steine aus dem Schnee. Die Berge glänzten weiß im fahlen Licht eines kalten Wintertages. Tahan wandte sich um und hielt vor Überraschung die Luft an– vor ihm lagen die bewaldeten Hügel von Helsten. Auch hier hatte es getaut, die bunten Farben der Herbstbäume kamen zum Vorschein, die Wipfel bildeten einen Teppich aus Rot, Grün und Gelb. Das Gebirge gehörte dem ewigen Winter, aber das tiefer gelegene Land würde noch zwei, drei Mondläufe lang gegen ihn ankämpfen, bevor es endgültig verlor.
    Stöhnend rieb er sich die Augen, löste mit klammen Fingern die Fesseln, die ihn an das Pferd banden, und fiel in einen nassen Schneehaufen, der seinen Sturz bremste. Er war so schwach, dass er kaum aufstehen konnte, doch sobald er die Hände in den Bach getaucht und getrunken

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