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Die Saeulen der Macht

Die Saeulen der Macht

Titel: Die Saeulen der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maja Winter
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Hauptstadt, wo die Sklavenmärkte abgehalten wurden. Er trieb Ganashko zur Eile an, und so flogen sie dahin, ein von der Angst abgeschossener Pfeil.
    Am zweiten Tag auf der Straße stieß er auf eine große Reisegruppe. Auf dem steinigen Boden waren die Hufschläge weithin zu hören, die tieferliegenden Schluchten verstärkten die Rufe der Menschen, und da die Straße überdies einen Hang hinabführte, hatte Tahan einen guten Blick auf etwa hundert Menschen, die teils zu Fuß, teils zu Pferd unterwegs waren. Er beobachtete sie eine Weile und stellte fest, dass mit den Fußgängern etwas nicht zu stimmen schien. Sie bewegten sich seltsam gleichförmig, jedoch nicht mit der zackigen Kraft von Soldaten.
    Â» Gefangene « , murmelte er. » Sie haben Gefangene bei sich. «
    Er bohrte Ganashko die Fersen in die Seiten, und das Moorpferd stürmte voran. Während sie in vollem Galopp über die Straße preschten, zog Tahan sein Schwert, über dessen Klinge sofort Flammen züngelten. Normalerweise, wenn er allein kämpfte, blieb es bis auf das Tosen des Feuersturms still. Heute jedoch kam das Lied über ihn, dem er seinen Namen verdankte, und als er in die Reiter hineinfuhr wie ein Blitz, war er Singendes Schwert wie in der Schlacht. Das Lied war da, wurde lauter als alles, war ein Orkan und ein Meer und eine Feuersbrunst, und während die Welt kippte und die weißen Ränder durch seine Sicht tanzten, lag der Zorn über allem, sein ansteckender Zorn, der die Gefangenen zu Kriegern machte.
    Ketten und Stricke rissen, Steine wurden zu Waffen, Hände zu Dolchen, Füße zu Äxten. Die Gefangenen warfen sich in das Schlachtlied und fielen über ihre Treiber her. So tobten sie durch die Reihen der Helstener wie im Banoarausch, ohne zu wissen, was sie taten, und zugleich von einer solchen Klarheit erfüllt, dass jeder Hieb und jeder Schlag sein Ziel traf, im Einklang mit dem wilden Rhythmus des Liedes.
    Während die Sonne hinter dem Hügel unterging, färbte Blut die Straße rot, und von den vierzig Helstenern– Soldaten, Wächtern und Händlern–, stand niemand mehr. Einige stöhnten noch, aber bevor Tahan einschreiten konnte, machten sich die Gefangenen über sie her, und am Ende herrschte Stille.
    Er wischte sich über die Augen und stellte fest, dass er an die sechzig Terjaler befreit hatte. Sie waren zu einem elenden Dasein als Sklaven verurteilt gewesen, wie ihre abgeschnittenen Zöpfe verrieten. Zwanzig Männer und Frauen mit kurzen Haaren waren gefallen, doch in Anbetracht dessen, dass sie gebunden und unbewaffnet gewesen waren, als der Kampf begann, schien ihm dies kein schlechtes Ergebnis. Der Tod der Helstener kam ihm dagegen ungelegen, er hätte sie gerne befragt. Von Noan und Jalimey keine Spur. Die kleine schwarze Stute, die herantrabte und die Nase an Ganashko rieb, kannte er jedoch allzu gut.

16
    A llmählich begriffen die Geretteten, was geschehen war. Ungläubig sahen sie sich um, Entsetzen und Freude auf den Gesichtern. Sie starrten Tahan an, dann fiel einer nach dem anderen auf die Knie, verwirrt und ehrfürchtig.
    Â» Herr, wo sind die anderen? « , fragte jemand. » Wo ist der flammende Krieger? Und wo ist die Kriegerschar, die eben noch hier gekämpft hat? «
    Sie konnten sich nicht vorstellen, dass sie es selbst gewesen waren. Für Soldaten, über die der Rausch kam, war es schwer genug, damit umzugehen, für diese einfachen Menschen hingegen stand es außer Frage, dass dies nicht ihr Werk gewesen sein konnte.
    Herr? Tahan fiel wieder ein, dass er seinen Zopf aufgelöst hatte. Sofort begann der Fluch sich zu regen und kündigte den Schmerz mit dem ersten noch sanften Brennen an, dieser Fluch, der über seine Demut wachte.
    Â» Nennt mich nicht Herr, ich bin nur ein Söldner « , sagte er rasch. » Die anderen Krieger sind weitergeritten, während ihr benommen wart. «
    Sie trauten ihm nicht. Er war ein Fremder, und sie hatten Übles erlebt. Einige hasteten fort, andere standen wie betäubt herum, wieder andere stöberten bei den Toten nach Gegenständen und Kleidungsstücken von Wert.
    Â» Die hier lebt noch « , sagte jemand.
    Da, zwischen den Gefallenen, lag eine schlanke, geradezu schmächtige Gestalt, das seidige braune Haar verstümmelt und staubig. Blaue Flecken färbten die zarten Wangenknochen. Ein Mädchen in der derben Kleidung eines

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